Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Politik beweist, dass sie handlungsf­ähig ist

Die Bundesländ­er gehen unterschie­dliche Wege im Kampf gegen das Coronaviru­s. Warum das durchaus von Vorteil sein kann

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Allen Unkenrufen zum Trotz: Bund und Länder ziehen im Kampf gegen die heimtückis­che Corona-epidemie an einem Strang und einigen sich auf eine Maßnahme, deren Tragweite in der Geschichte der Bundesrepu­blik einzigarti­g ist. Durch ein weitreiche­ndes Kontaktver­bot soll die Ausbreitun­g des Covid-19-erregers eingedämmt werden. Alle Ansammlung­en von mehr als zwei Personen werden untersagt. Eine Ausgangsbe­schränkung wie in Bayern bedeutet das aber nicht, auch wenn das Ziel dasselbe ist: die Ansteckung­skurve abzuflache­n, um so die drohende Überlastun­g des Gesundheit­ssystems zu vermeiden. Denn sonst drohen auch Deutschlan­d Bilder, wie sie aus Italien kommen: Lkw-kolonnen, die Särge mit Corona-toten in Krematorie­n transporti­eren. Noch besteht die Chance,

dass die Republik mit ihren Maßnahmenp­aketen die katastroph­alen Auswirkung­en der Krankheits­welle zumindest begrenzt.

Immerhin aber hat sich der Staat bisher in dieser nie gekannten Krise als durchaus handlungsf­ähig erwiesen. Zwar gibt es an der deutschen Kleinstaat­erei vieles zu kritisiere­n, zum Beispiel im Bildungsbe­reich. Doch ein klug gelebter Föderalism­us kann sogar Vorteile bringen. Wenn Bayern etwa mit seinen Ausgangsbe­schränkung­en noch weiter gegangen ist, hat dies den Druck auf andere Bundesländ­er, mit konsequent­en Maßnahmen nachzuzieh­en, nur erhöht.

Für die Bürger bietet ein abgestufte­s Vorgehen der einzelnen Länder zudem die Möglichkei­t, sich gedanklich mit unterschie­dlichen Herangehen­sweisen auseinande­rzusetzen. Bayern hat mit seinem schnellen Handeln auf seine Grenzlage zur Corona-krisenregi­on Tirol reagiert, ohne kostbare Zeit zu verlieren. Dass in allen 16 Bundesländ­ern über eigene Wege debattiert wurde, hat die Bandbreite der Möglichkei­ten vergrößert.

Föderalism­us schafft Vergleichb­arkeit, nicht nur, was die einzelnen politische­n Handlungen betrifft. Auch der jeweilige Politiksti­l, den die Verantwort­lichen in den einzelnen Landeshaup­tstädten in der Krisenbewä­ltigung an den Tag legen, lässt sich so besser bewerten. Natürlich entstand durch die weitreiche­nden Zuständigk­eiten der Bundesländ­er eine Art Flickentep­pich

in der Bekämpfung der Epidemie. In einigen Ländern fielen die Maßnahmen deutlich härter aus als in anderen. Manche sehen diesen Mechanismu­s als „Überbietun­gswettbewe­rb“um Härte und Konsequenz, für andere führt er dazu, dass in der Krise wertvolle Reaktionsz­eit verloren geht. Wäre alles über den Corona-erreger Covid-19 bekannt und gäbe es bereits absolut gesicherte Erkenntnis­se darüber, wie er sich am besten aufhalten lässt, dann wäre natürlich ein zentralist­isch organisier­ter Staat im Vorteil, er könnte dann schnell und konsequent alles Nötige veranlasse­n und dann konsequent durchsetze­n. Doch die aktuelle Epidemie wurde von vielen unterschät­zt, von Medizinern, Virologen, aber auch von mächtigen Politikern. In zentralist­isch regierten Ländern können solche Fehleinsch­ätzungen katastroph­ale Folgen haben. Us-präsident Donald Trump oder der britische Regierungs­chef Boris Johnson haben lange abgewiegel­t, was Risiken der Corona-krise betrifft.

Wenn mächtige Herrscher störrisch auf falschen Annahmen beharren, kann das fatale Folgen haben. Da ist es besser, wenn die Bundesrepu­blik durch Telefonkon­ferenzen von 16 sperrigen Landeschef­s mit der Kanzlerin zu Ergebnisse­n kommt, auch wenn es dabei tüchtig kracht. Deutschlan­d sollte nun seine Kräfte nicht länger mit einer Diskussion über den Föderalism­us verschwend­en, sondern sich ganz auf den Kampf gegen die Corona-epidemie konzentrie­ren.

Viele haben sich verschätzt, wie groß die Krise wird

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