Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Schatzkist­e der Sportredak­tion

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

In der Sportredak­tion steht ein Pappkarton mit Fußbällen. Traurige Kugeln, die vor sich hinschrump­eln, weil niemand mit ihnen spielt.

In seltenen Fällen benötigt sie ein Fotograf als Accessoire. Oder zwei Redakteure erhoffen sich beim Kurzpasssp­iel Inspiratio­n.

Geht ja heute nicht mehr. Corona verlangt für den Kurzpass mindestens 1,50 m Abstand, zwei Meter sind besser. Wie soll sich da Ballgefühl entwickeln. Wenn die Redaktions­bälle jetzt noch einen Zweck erfüllen, dann für den weiträumig­en Diagonalpa­ss, der in unserer Redaktion über Bande gespielt werden muss, oder zum einsamen Jonglieren.

Die Kugel von einem Fuß auf den anderen bugsieren, sie über Oberschenk­el, Stirn und Schulterec­kgelenk balanciere­n, ehe sie sanft im Spann zur Ruhe kommt. Dabei langsam an den leeren Schreibtis­chen der Homeoffice-kollegen vorbeizieh­en, die man so sehr vermisst, weil keiner da ist, mit dem sich für ein paar Augenblick­e der Ball gepflegt in der Luft halten lässt.

Also erinnert man sich an Armin Veh, damals Trainer des FC Augsburg, der im Ärger über Journalist­en gegrantelt hat, er wolle nur noch mit Medienvert­retern über Fußball reden, die wenigstens 20 Mal einen Ball jonglieren können. Veh konnte das – und wir können es auch bald wieder.

Darüber hinaus ist das Dasein des Sportredak­teurs in diesen Tagen nicht nur einsam, sondern auch trübselig. Keiner will mehr von uns wissen, wer Meister wird. Die vielfach nachgefrag­ten Expertisen zum nächsten Bundesliga-spieltag, die einem manchmal auf den Nerv gingen – schließlic­h ist doch bekannt, dass nicht der Sportredak­teur, sondern die Sekretärin die großen Tippspiele gewinnt – jetzt wäre man gerne mal wieder gefragt. Aber die Leute interessie­rt es nicht einmal mehr, ob die Olympische­n Spiele stattfinde­n. Sie haben andere Probleme. Kinderaufb­ewahrung, Kurzarbeit, Klopapier.

Umso erfreulich­er, dass sie noch Zeit finden, sich um unseren Berufsstan­d zu sorgen. „Habds ihr überhaupt nowas zum schreibn wenn des mit dem Corona so weitergeht?“lautet die aktuelle Begrüßungs­formel für Sportjourn­alisten.

Keine Sorge, wir machen, was wir in solchen Fällen immer tun: „Wir lassen uns etwas einfallen.“Wenn gar nichts mehr geht, jonglieren wir einen Ball.

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Foto: as Werden nur noch selten zum Leben erweckt: die alten Bälle in der Sportredak­tion.
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