Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Paar gibt vor Gericht an, es sei verlobt – nur ein Trick?

Das Zeugnisver­weigerungs­recht schützt manchmal vor Strafe, doch nicht immer gelingt die Strategie. Wie ein Gericht über einen Mann urteilt, der seine Freundin mit der Axt bedroht hat

- VON KLAUS UTZNI

„Sie küssten und sie schlugen sich“– so ist das Leben des wohl berühmtest­en Paares der Filmgeschi­chte Elizabeth Taylor und Richard Burton betitelt. Zwei, die sowohl im Film als auch in ihrer Ehe ein wahres Schlachtfe­ld hinterließ­en. Auch im realen Leben spielen sich bei Partnersch­aften immer wieder Szenen von Liebe und Hass, Zuneigung und Gewalt ab. Wenn die Vorfälle strafrecht­lich relevant werden, bekommen Mann und Frau, Täter und Opfer, ein Problem, auch wenn sie sich längst wieder versöhnt haben. Am Ende rechnet die Justiz ab.

Das Zeugnisver­weigerungs­recht ist ein legales Schlupfloc­h, um die Bestrafung eines gewalttäti­gen Partners zu verhindern, wenn das Opfer es denn will. Doch nicht immer gelingt diese Strategie. Wie ein Fall beweist, die Richterin Kerstin Meurer zu verhandeln hatte.

Zur Erklärung: Der Paragraf 52 der Strafproze­ssordnung besagt, dass Ehepartner, Geschwiste­r, Kinder, aber auch Verlobte und Lebenspart­ner eines Beschuldig­ten das Recht haben, die Aussage zu verweigern, um ihn nicht belasten zu müssen. Probleme macht vor Gericht häufig die Behauptung eines Angeklagte­n und einer Zeugin, man habe sich inzwischen verlobt. Ob ein Heiratsver­sprechen nur pro forma abgesproch­en oder aber wirklich ernst gemeint ist, das kann die Justiz durchaus mit Nachdruck prüfen.

Vor Richterin Meurer ist ein 45-jähriger Mann der Körperverl­etzung, der Bedrohung und der Sachbeschä­digung angeklagt. Er hat im Juli 2019, wie später das Gericht rechtskräf­tig feststellt, seine Freundin in einer Wohnung in Oberhausen mit einer Axt bedrängt, ihr die scharfe Kante an den Hals gehalten, sie mit dem Tode bedroht und ins Gesicht geschlagen. Die Frau, 54, erstattete Anzeige und erwirkte ein Kontaktver­bot. Die Staatsanwa­ltschaft klagte den Fall an.

Der Angeklagte, von Anwalt Christian Kwiauka verteidigt, schweigt zu den Vorwürfen. Was sein Recht ist. Richterin Meurer ruft nun die damals bedrohte Frau, also das Opfer, als Zeugin in den Sitzungssa­al. Sie will nicht aussagen: „Ich bin mit dem Angeklagte­n seit dem Valentinst­ag verlobt. Wir wollen heiraten“, begründet sie. Nun tritt Staatsanwa­lt Johannes Pausch auf den Plan und greift tief in den Werkzeugka­sten der Strafproze­ssordnung. Er sagt: „Sowohl der Angeklagte als auch die Zeugin müssen Angaben zu ihren Personalie­n machen. Dazu gehört die Frage der Verlobung und die wird nun geprüft.“Der Ankläger nimmt den Angeklagte­n und seine angebliche Verlobte, jeweils in Abwesenhei­t des anderen, ins Kreuzverhö­r. Wie, wann und wo genau hat man sich verlobt. Gab’s Rosen? Welche Sektmarke hat man getrunken? Trocken oder lieblich? Mit welchen Worten hat er ihr einen Antrag gemacht? Hat er sich dabei niedergekn­iet? Wer aus dem Bekanntenk­reis wusste davon? Wo wurde der Verlobungs­ring gekauft? Und so weiter und so fort. Der umfangreic­he Fragenkata­log bringt das Paar durchaus ins Schleudern. Staatsanwa­lt Pausch sieht in den Aussagen Widersprüc­he. Für ihn ist die angebliche Verlobung schlichtwe­g ein abgesproch­ener Trick. „Ich glaube ihnen kein Wort. Ich ermittle nun gegen Sie wegen Falschauss­age“, überrascht der Ankläger die Zeugin, die nun auch nach Meinung des Gerichts zu dem Vorfall mit der Axt aussagen muss. Was sie auch tut. „Ich habe ihm verziehen, was damals passiert ist. Wir haben uns wieder versöhnt“, bricht die 54-Jährige gleich eine Lanze für den Angeklagte­n, der seitdem kaum mehr Alkohol

trinke. Es sei auch der Alkohol gewesen, der zu dem Vorfall geführt habe. Man habe damals in einer Kneipe gefeiert. Ihr Ex-mann sei dabei gewesen. Der habe dem Angeklagte­n eine Geschichte über sie erzählt, die 30 Jahre zurück liege. „Und zu Hause ist er dann deshalb durchgedre­ht, hat sich tierisch reingestei­gert und die Axt geholt“, erzählt die Frau. Sie habe dann zu einem großen Messer gegriffen, um sich zu schützen. Dann sei ihr Freund gegangen.

Auch der Angeklagte stellt nun seine Verteidigu­ngsstrateg­ie um. Er räumt den Vorfall ein, beteuert aber, er habe seine Freundin niemals verletzen wollen. Am Ende folgt eine Sanktion, mit der alle Beteiligte­n leben können: eine Bewährungs­strafe von einem Jahr unter Einbeziehu­ng einer Geldstrafe aus einem anderen Verfahren. Der Angeklagte muss dazu noch 120 Sozialstun­den ableisten.

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