Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Endlich dämmert es
Nach dem IOC ist nun auch Gastgeber Japan bereit, die Sommerspiele zu verlegen. Es droht allerdings noch eine längere Hängepartie
Tokio/berlin Japan hat endlich auf die Wucht der weltweiten Kritik gegen eine planmäßige Ausrichtung der Olympischen Spiele in Tokio reagiert. „Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen“, sagte Yoshiro Mori, der Präsident des Organisationskomitees von Tokio, auf einer Pressekonferenz. Auch Premierminister Shinzo Abe spricht angesichts der Ausmaße der Coronavirus-pandemie von einer Verschiebung. „Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der Athleten oberste Priorität hat“, so Abe. Die endgültige Entscheidung aber liege beim Internationalen Olympischen Komitee, das sich dafür eine Frist von vier Wochen gesetzt hat.
Der Gastgeber signalisierte die Bereitschaft, vom Tokio-termin abzurücken, nicht aber vom Fackellauf: Der soll Donnerstag in Fukushima beginnen. Die Verschiebung von Olympia und Paralympics würde Japan teuer zu stehen kommen.
Nach Meinung von Experten wäre mit Kosten von bis zu 670 Milliarden Yen (rund 5,7 Milliarden Euro) zu rechnen.
Viele Athleten drängen auf eine schnellere Entscheidung und ein Ende der Hängepartie, wie Speerwurf-olympiasieger Thomas Röhler. Vier Wochen seien „ein sehr, sehr langer Zeitraum“, sagte der Jenaer im Morgenmagazin von ARD und ZDF. „Wir arbeiten aktuell daran, dass noch schnellere, noch präzisere Entscheidungen getroffen werden“, sagte der Athletenvertreter im Leichtathletik-weltverband. World Athletics ist bereit, die für 2021 nach Eugene/usa vergebene WM im Falle der Verlegung der Tokio-spiele ins nächste Jahr zu verschieben.
Präsident Sebastian Coe hatte bereits vor dem Beschluss der Vierwochen-frist in einem Brief an IOC-CHEF Thomas Bach eine Olympia-verschiebung nahegelegt. Die Spiele könnten nicht „um jeden Preis“abgehalten werden, schrieb der Brite. Es sei die Zeit gekommen, den Athleten „eine Atempause zu geben“. Heftige Kritik übte die Sportausschuss-vorsitzende des Bundestages an der Vier-wochenfrist und dem IOC. „Ich finde die Entscheidung respektlos gegenüber den Athleten und angesichts der Lage auf der Welt verantwortungslos“, sagte Dagmar Freitag (SPD) im Interview des Hr-inforadios. Diese Hinhaltetaktik produziere
„einen massiven Vertrauensverlust“und zeige „ein eklatantes Führungsversagen“.
In einer persönlichen E-mail an die Athleten warb Ioc-präsident Thomas Bach erneut um Verständnis dafür, dass eine endgültige Entscheidung über einen Termin für die Tokio-spiele – eine Verschiebung in den Herbst, ins nächste Jahr oder bis 2021 – jetzt noch verfrüht wäre. „Ich weiß, dass diese beispiellose Situation viele Ihrer Fragen offen lässt“, schrieb der 66-jährige Deutsche. „Ich weiß auch, dass dieser rationale Ansatz möglicherweise nicht mit den Emotionen übereinstimmt, die viele von Ihnen durchleben müssen.“
Dosb-präsident Alfons Hörmann hätte sich eine eindeutigere Position vom IOC gewünscht, nämlich, dass die Spiele „definitiv nicht zum geplanten Termin stattfinden können“, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes. Den bisherigen Termin aufgrund der aktuellen Lage abzusagen wäre auch gegenüber der Öffentlichkeit ein wertvolles Signal gewesen. Die öffentliche Wahrnehmung des IOC würde ganz entscheidend davon geprägt, wie in den vier Wochen die weiteren Schritte offen kommuniziert und konsequent umgesetzt werden. Da nach den Prognosen der Experten wegen der Pandemie ein Termin im Herbst keine sichere Alternative darstellen würde, „präferieren wir eine Verlegung mindestens ins nächste Jahr“, sagte der DOSB-CHEF.
Bach schreibt Brief an die Athleten