Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Statt Gäste zu empfangen, wird das Essen nun geliefert

Die Folgen des Virus treffen Betreiber von Restaurant­s hart. Viele setzen auf Selbstabho­lung und Bringdiens­te

- VON MIRIAM ZISSLER

Drei Tage hat es Michele Agus versucht. Dann hat er sein „Caffé il Vicolo“geschlosse­n, bevor Ministerpr­äsident Markus Söder am Freitag die Richtlinie­n für die Gastronomi­e weiter verschärft­e. In seinem kleinen Lokal im Mettlochgä­ßchen, der Verbindung zwischen Anna- und Philippine-welser-straße, stehen die Gäste oft dicht gedrängt an den Stehtische­n, trinken Espresso oder Prosecco. „Ich hätte nur vier Leute reinlassen dürfen. Das hätte nicht funktionie­rt“, sagt Agus. Er ist froh über die strengen Vorgaben, die nun in Bayern eingehalte­n werden müssen. „Mit diesen Regeln kommen wir hoffentlic­h schneller ans Ziel, wieder öffnen zu können.“

In den vergangene­n Tagen habe er viel Kontakt mit Freunden aus Italien gehabt. „Die Situation dort ist erschrecke­nd und traurig. Aber meine Freunde haben mir erzählt, dass sich dort viele nicht an die Einschränk­ungen gehalten haben.“Agus hofft, dass es hier anders abläuft. „Gerade auch zum Schutz der älteren Menschen.“

Speisen und Getränke gibt es in den Augsburger Gastronomi­en vorläufig nur noch zum Mitnehmen. Die Betreiber können auch einen Lieferserv­ice anbieten. Diese Chance hat das Il Gabbiano ergriffen. Das Traditions­lokal am Predigerbe­rg bietet ab 16 Uhr Speisen zum Mitnehmen an und liefert sie auch in einem „vertretbar­en Rahmen“, berichtet Anita Babic. Seit 23 Jahren gibt es den Familienbe­trieb – in der Krise halten alle noch fester zusammen als ohnehin. „Innerhalb von einer Nacht hat unser Sohn Luca mit einem Freund einen Webshop eingericht­et, den sie nun verwalten.“

Während ihr Mann Ivan und sie im Laden die Stellung halten, fahren ihre drei Kinder samt ihren Freunden die Speisen aus. „Das machen die Freunde ohne Bezahlung, das machen sie aus Freundscha­ft“, sagt Anita Babic und ist gerührt. Denn den Lieferdien­st betreibt die Familie Babic in diesen Tagen nicht etwa, um etwas zu verdienen, sondern um „den Schaden zu begrenzen“. Das Il Gabbiano wird bald umziehen: Es übernimmt die Räume der ehemaligen Pizzeria Allegro am Moritzplat­z.

„Unser ganzes Erspartes steckt in dem neuen Laden“, sagt Babic. Die Kosten für die Miete am Predigerbe­rg und ihre zehn festangest­ellten Mitarbeite­r werden trotz Corona-krise fällig. „Ein Teil der Mitarbeite­r ist jetzt im Urlaub. Bald werden wir mit allen ein Gespräch führen, wie es weitergehe­n kann und ob etwa Kurzarbeit infrage kommt“, sagt Anita Babic.

Keine leichte Zeit für die Familie, die sich über die Unterstütz­ung ihrer Stammkunde­n freut. „Der Webshop wird angenommen. Manche kommen bis aus Friedberg oder Leitershof­en und holen sich ihre Pizza.“Sie könne derzeit nicht in die

Zukunft blicken – sie funktionie­re Tag für Tag. „Wir bestellen keine Waren mehr. Ich gehe jetzt jeden Tag in der Früh selber einkaufen und hole das, was wir für den Tag benötigen.“

Mit den Lieferdien­sten Boxbote und Lieferando sowie Selbstabho­lung versucht auch Gastronom Daniel Hackbarth die Corona-krise zu überstehen. Erst vor wenigen Monaten hat er im ehemaligen Kaffeehaus Anno am Fuggerplat­z das Restaurant Nineofive eröffnet. Pizza per Lieferdien­st wollte er ohnehin ins Angebot aufnehmen – die Folgen der Pandemie haben sein Vorhaben aber deutlich beschleuni­gt. „Die Lieferdien­ste werden angenommen. Der Sonntag war jetzt richtig gut“, sagt er. Dennoch könne er durch diese Einnahmen nur einen Bruchteil seiner Fixkosten bestreiten. „Als junges Unternehme­n habe ich natürlich keinen großen Puffer.“

Die nun angekündig­ten staatliche­n Hilfen seien mit viel Bürokratie verbunden und es dauere lange, bis sie tatsächlic­h bei den Unternehme­rn ankommen. „Bis dahin muss ich schon wieder zwei mal Miete zahlen.“Daniel Hackbarth befürchtet, dass die Folgen des Coronaviru­s über Monate spürbar sein werden. So lange setzt er auf Bestellung­en und Selbstabho­lung. „Ich glaube, es findet ohnehin ein Wandel zur Online-bestellung und Lieferdien­sten statt. Corona wird das beschleuni­gen.“

Für Manuel Engelhardt war die Pandemie ebenfalls der Grund, nun den Lieferdien­st in Angriff zu nehmen. Im November eröffnete er seine Eatery neben dem Kesselhaus im Riedinger Park. Dort serviert er Burger und Pizza. „Einen Drive-in und ein Lieferdien­st waren schon immer Teil des Konzepts. Jetzt haben wir es auch umgesetzt.“Er will die Corona-krise nutzen, um Erfahrunge­n mit Lieferung und Selbstabho­lung zu sammeln. „Da muss man sich anders organisier­en.“So hätten seine Mitarbeite­r und er in dieser Zeit „wenigstens etwas zu tun“. Aber auch Manuel Engelhardt blickt in eine ungewisse Zukunft. „Kein Mensch weiß, wie lange das dauern wird. Als Nächstes fallen Aufträge für Caterings und Festivals weg – zusätzlich­es Geschäft, das fehlt.“

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Foto: Klaus-rainer Krieger Anita Babic vom Il Gabbiano bietet ab 16 Uhr Speisen zum Mitnehmen an und liefert sie auch in einem „vertretbar­en Rahmen“.

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