Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Dieter Reiter liegt in München klar vorn
Der Spd-oberbürgermeister hat kaum noch Wahlkampf gemacht – trotzdem wird’s wohl locker reichen
München Der Favorit ist ziemlich sicher auch der Sieger. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) lag am Sonntagabend – es wurde nur bis 22 Uhr ausgezählt – mit über 70 Prozent der Stimmen klar vor seiner Konkurrentin Kristina Frank (CSU). Das vorläufige amtliche Endergebnis in der Landeshauptstadt soll erst an diesem Montag bekannt gegeben werden. Dennoch zeigte sich der in Rain am Lech (Landkreis Donau-ries) geborene Reiter schon am Sonntagabend siegessicher: „Ich bin überwältigt von dem großen Vertrauen, das mir die Münchnerinnen und Münchner entgegengebracht haben, vielen herzlichen Dank. Das gibt viel Rückenwind für die nächste Amtsperiode.“
Im Wahlkampf hatte Reiter nicht viele Worte gemacht. „Gesagt. Getan. Gerecht.“– so lautete die knappe Botschaft auf den Plakaten, die von der Münchner SPD vor der Stichwahl noch einmal erneuert worden waren. Nicht mal mehr von den Lokalzeitungen ließ sich Reiter, der seit Wochen quasi rund um die Uhr in Sachen Corona unterwegs ist, zu kurzen Wahlkampf-statements bewegen. Der 62-Jährige ließ nur wissen: „Ich bitte um Verständnis, dass ich in Anbetracht der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und nachdem die politischen Positionen zwischen den Stichwahlkandidaten hinlänglich diskutiert wurden, parteipolitische Äußerungen derzeit bis auf Weiteres für nicht angebracht halte.“
Im Vergleich mit Oberbürgermeister-kandidaten anderer Städte hatte sich Reiter im Wahlkampf aber auch schon vor dem „Coronashutdown“ziemlich rar gemacht. Anders als zum Beispiel in Nürnberg, wo sich die drei Kontrahenten um den Ob-sessel phasenweise mehrmals die Woche auf irgendwelchen Podien gegenübersaßen, leistete Reiter sich den Luxus, nicht jede Einladung anzunehmen. Und wenn der Amtsinhaber irgendwo auftrat, dann in aller Regel als Oberbürgermeister und nicht als Wahlkämpfer.
Möglich machte das nicht nur der Amtsbonus. Reiter wusste, dass die Münchner wissen, woran sie mit ihm sind. Er hatte zwar formell in einer Koalition mit der CSU regiert, aber nie einen Zweifel daran gelassen, was ihn von den Christsozialen unterscheidet. Reiter will weniger Autos, mehr öffentlichen Nahverkehr und vor allem mehr Radwege. Als ihm die CSU im Wahlkampf den Gefallen tat, einseitig um die Stimmen der Autofahrer zu werben, war das Schicksal ihrer Spitzenkandidatin Kristina Frank besiegelt. Sie schaffte nur noch den Achtungserfolg, ihre Kontrahentin von den Grünen, Katrin Habenschaden, zu überflügeln. In der Stadtratswahl musste die CSU herbe Verluste hinnehmen. Sie stürzte um 7,8 Punkte auf 24,7 Prozent der Stimmen.
Konsequent blieb Reiter bis zuletzt auch in einer anderen Frage. Er verweigerte beharrlich jede Aussage zu möglichen Koalitionen. Vielleicht,
so mutmaßen Beobachter in München, hätte ihm ein Bekenntnis zu Rot-grün eine Stichwahl erspart. Knapp 48 Prozent der Münchner Wähler stimmten schon im ersten Wahlgang für Reiter. Darunter müssen auch viele Anhänger der Grünen gewesen sein. Sie wurden mit 29,1 Prozent der Stimmen stärkste Fraktion im Stadtrat, ihre Ob-kandidatin aber lag mit 20,7 Prozent deutlich dahinter.
Die Kräfteverhältnisse im 80-köpfigen Münchner Stadtrat lassen rein rechnerisch eine Neuauflage von Rot-grün als die einfachste Lösung erscheinen. Die Grünen haben 23, die SPD hat 18 Sitze. Das reicht für eine stabile Stadtregierung, zumal wohl mindestens die Rosa Liste (ein Sitz) diese Koalition unterstützen würde. Um mit der CSU (20 Sitze) weitermachen zu können, bräuchte Reiter mindestens noch einen dritten Partner wie zum Beispiel die FDP (drei Sitze).