Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Hobbymechaniker Vettel
Der Formel-1-star will in der Zwangspause an seinem alten Motorrad basteln. Langweilig wird es dem 32-Jährigen in seiner Schweizer Heimat nicht. Noch nicht.
Augsburg Sebastian Vettel sitzt in seinem Wohnzimmer. Wo auch sonst in diesen turbulenten Zeiten. Die Corona-krise bremst die Formel 1 genauso aus wie den Rest der Welt. Der Saisonauftakt, der eigentlich vor wenigen Wochen in Australien hätte steigen sollen, findet nun frühestens im Juni in Kanada statt. So recht aber mag auch daran noch keiner glauben, ein Stadtrennen in Montreal am 14. Juni klingt sehr unwahrscheinlich. Klar dürfte mittlerweile sein, dass der Rennkalender 2020 keinesfalls die geplanten 22 Rennen umfassen wird. Auf 15 bis 18 Rennen hofft Formel-1-boss Chase Carey, die Saison könnte bis in den Januar dauern.
Sebastian Vettel wohnt auf der Schweizer Seite in der Nähe des Bodensees in Ellighausen. Er hat sich dort einen alten Bauernhof gekauft und ihn nach seinen Wünschen umgestaltet. Er soll ein recht talentierter Handwerker sein und gerne mal in Baumärkten seine freie Zeit verbringen. Gerade aber sitzt der 32-Jährige mit seiner Ehefrau Hanna und den drei Kindern sehr oft zu Hause. Er geht viel spazieren und hält sich fit. Gerne auch auf dem Fahrrad. Und der viermalige Weltmeister hat sich Zeit genommen, Fragen von Ferrari-fans zu beantworten. Die Fragen wurden ihm über Twitter gestellt, er nahm von sich ein Video auf, in dem er auf einen Teil davon einging. Alles von seinem Wohnzimmer aus.
Vettel also sitzt auf seiner Couch und redet von seiner Zeit während der Corona-krise. Ob er denn spezielle Tipps habe, wurde der Ferrari-star gefragt. Nicht wirklich, muss bekennen, nur das Übliche. Also Abstand halten, sich die Hände waschen und Verantwortung zeigen. Für sich und seine Mitmenschen. Diese Botschaft ist Vettel wichtig. Der 32-Jährige mag die sozialen Medien nicht sonderlich. Facebook, Twitter, Instagram, das alvettel les ist ihm nicht wichtig. Er schätzt den persönlichen Kontakt mehr. Wenn ihm Fans zum Beispiel einen Brief schreiben und ihm den an einem Rennwochenende übergeben. „Die lese ich abends an der Rennstrecke“, sagt Vettel. Wenn er, wie bei vielen Europa-rennen, in seinem eigenen Wohnmobil sitzt. „Das genieße ich sehr“, sagt er. Sein eigener Herr sein, nicht in einem Hotel zu wohnen. „Und das Frühstück selbst machen“, sagt Vettel.
Selbst ist der Mann also. Genauso auch bei seinem alten Motorrad, das bei ihm zu Hause rumsteht. „Es ist wahrscheinlich gut, sich mit Schrauben und Muttern und ein bisschen Restaurierungsarbeiten zu beschäftigen, damit man nicht verrückt wird“, sagt Vettel. Denn: „So wie es aussieht, haben wir ja noch etwas mehr Freizeit.“Vettel hatte vor seiner Motorsportkarriere mal daran gedacht, nach dem Abitur Ingenieurswissenschaften zu studieren. „Das fasziniert mich noch immer“, sagt er. Vielleicht sei das eine Option für die Zukunft. Sein Lieblingsfach in der Schule war Physik.
Noch aber will er sich in der Formel 1 beweisen. Und endlich Weltmeister mit Ferrari werden. Sein Vertrag läuft am Saisonende aus, vor kurzem haben die Gespräche über eine eventuelle Verlängerung begonnen. An seinen ersten Sieg mit Ferrari in Malaysia hat Vettel noch sehr gute Erinnerungen. „Das hat sich sehr gut angefühlt“. Insgesamt aber kann er mit seiner Zeit bei der Scuderia noch nicht zufrieden sein. Er fährt nun bereits seine sechste Saison im roten Renner, wirklich ernsthafte Chancen auf den Titel hatte er seitdem nicht. Vielleicht aber nach Corona.