Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rennstall kürzt Zimmermann und Kollegen das Gehalt
Weil der Sponsor seine Ausgaben massiv kürzen will, zahlt das Team seinen Fahrern weniger. Warum die ersten Saisonrennen vor Corona für den 22-jährigen Profi noch enorm wertvoll werden könnten
Wann es weitergeht, fragen sich viele Sportler gerade. Georg Zimmermann weiß aber nicht einmal, wie es weitergehen wird. Sein Team hat mitgeteilt, einen Großteil der Mitarbeiter zu entlassen, die Fahrer müssen massive Gehaltskürzungen hinnehmen. Teamchef Jim Ochowicz sagte, Hauptsponsor CCC sei wegen der Corona-pandemie in finanziellen Nöten. Deshalb hatte der polnische Schuhhändler angedeutet, dass er sich aus dem Sportsponsoring zurückziehen könnte. „Noch wissen wir nicht, wie hoch die Gehaltskürzungen sein werden“, sagt Zimmermann, der von seinem Team noch nicht über weitere Schritte informiert worden sei. Dabei startete sein erstes Profi-jahr vielversprechend.
Nach gerade einmal drei Renntagen fehlten ihm nur Radlängen zum ersten Sieg. Im Februar startete der 22-jährige aus dem Neusässer Stadtteil Hainhofen bei zwei Rennen in Südfrankreich. Rennen der zweiten
Liga zwar, aber mit Weltklasse gespickt: Gegen Nairo Quintana, Romain Bardet und Thibaut Pinot trat Zimmermann an – Fahrer, die schon auf dem Podest der Tour de France standen.
Beim Étoile de Bessèges in der Region Languedoc feierte Zimmermann einen denkbar guten Einstieg in seine Profi-laufbahn: Er gewann das Bergtrikot und verpasste auf der dritten Etappe mit Platz zwei nur knapp den Tagessieg. Eine Woche später landete er auf Platz fünf der Nachwuchswertung bei einem Etappenrennen in der Provence. Weitere Rennen im Frühjahr hätten folgen sollen. Doch dann stoppte Corona die Saison.
„Jetzt zeigt sich, wie wertvoll gute Platzierungen zum Saisonauftakt werden“sagt Zimmermann. Sollte sein Team den Betrieb nicht aufrechterhalten können, wären die bisherigen Ergebnisse gute Bewerbungen auf der Suche nach einem neuen Rennstall. Derzeit lote er aus, wie sich die Gehaltskürzungen in den eigenen Finanzen niederschlagen. Den Großteil seiner Zeit verbringe er aber immer noch auf der Straße. Wenn auch die Wettkämpfe ausfallen: Das Training geht weiter.
Das ist derzeit allerdings ein wenig anders als in der Wettkampfphase. „Aus sportwissenschaftlicher Sicht würde es gerade wenig Sinn machen, hochintensiv zu trainieren“, sagt Zimmermann. Solange unklar ist, ob die Saison abgebrochen wird, müssen die Profis immer noch damit rechnen, bis Oktober Rennen zu fahren. Die jetzt verschleuderten Körner könnten dann fehlen.
Doch nahezu täglich radelt Zimmermann durch die Region, um in Form zu bleiben. Nur auf Trainingspartner muss er wegen der Ausgangsbeschränkungen im Moment verzichten. Nach draußen zieht es Zimmermann ohnehin: „Solange das Wetter passt, bin ich lieber auf der Straße als auf der Rolle“, sagt er. Dabei könnte die Rolle, mit deren Hilfe Radsportler zu Hause
fahren können, während der Corona-pandemie an Bedeutung gewinnen.
Am Wochenende stand unter anderem Olympiasieger Greg Van Avermaet bei der virtuellen Flandern-rundfahrt am Start. Der Belgier ist Zimmermanns Teamkapitän. Mithilfe eines Computerprogramms traten 13 Weltklasse-fahrer auf der simulierten Strecke des Radklassikers gegeneinander an, Zuschauer konnten das Rennen per Live-stream verfolgen. „Grundsätzlich würde ich an solchen Rennen auch teilnehmen“, sagt Zimmermann. „Das hängt von der Ausrichtung des Teams ab.“
Aktuell gelte sein Fokus der Vorbereitung auf die Zeit und Rennen nach der Corona-krise. Wie es wirklich für ihn und sein Team weitergeht, kann Zimmermann derzeit nur erahnen. Womöglich fährt auch er demnächst am Computer. „Es kann ja sein, dass die virtuellen Rennen lange die einzigen Rennen sind, die es gibt.“