Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Vom Wert der neuen Routinen
Frühstück, rausgehen, Mittagessen. Mittagsschlaf, wieder raus, Abendessen. Kinder lieben Routinen – und darum lieben Erwachsene sie auch. Das gilt erst recht, so lange dieser merkwürdige Zustand andauert. Absolute Entschleunigung und maximaler Druck stoßen während der großen Schließtage aufeinander. Und trotzdem können dabei besondere Momente entstehen.
Wer kleine Kinder hat und sie nun selbst betreut, erlebt diesen Wechsel des Alltags wahrscheinlich noch einmal intensiver. Statt schon in der Früh unter Strom zu stehen, weil das Frühstück zu lange dauert, das Anziehen nicht klappt und Zähneputzen schon wieder nur pro forma erledigt wird, ist nun alles anders. Kein Morgenkreis im Kindergarten, der ja nicht versäumt werden darf. Kein Morgenkreis im Büro und auch kein Berufsverkehr. Stattdessen eine Frage: Rausgehen oder hier spielen?
Weil der Mensch nicht für das dauerhafte Eingesperrtsein auf 90 Quadratmetern gemacht ist, fällt die Entscheidung meist leicht. An dieser Stelle: Man stelle sich nur einmal vor, draußen herrschten Dauerregen und Kälte! Jedenfalls sind Spazierengehen und Sport im Freien sogar in Corona-bayern erlaubt. Und darunter fällt eindeutig auch das Fahrradfahren. Oder das Fahrradfahren-lernen. Jedenfalls ist es extrem auffällig, wie viele Mütter oder Väter nun wochentagsüber damit beschäftigt sind, ihren Kindern hinterherzurennen, die auf kleinen Rädern mit lustigen Wimpeln schwankend Gehsteige und Plätze erobern. Aufstehen, anziehen, frühstücken. Fahrradfahren, Hände waschen, Mittagessen. Routinen sind wichtig, sagen derzeit alle Experten. Und wissen wohl gar nicht, wie recht sie haben.