Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich bin der totale Klischee-bayer“

Auch für Stefan Dettl ist aktuell coronabedi­ngte Konzertpau­se. Zeit, sich mit dem Frontmann von Labrassban­da zu unterhalte­n über das Leben auf Tour, Weißbier und Weißwürste und das Vergraben von Instrument­en

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Labrassban­da ist ja vor allem auch eine Band für Konzerte. Wie gehen Sie da mit den aktuellen Einschränk­ungen um? Stefan Dettl: Ich habe für mein ganzes Leben ein Motto: „Auf’s Beste hoffen, das Schlimmste annehmen und den Rest so nehmen, wie’s kommt.“

Der Titel Ihres neuen Albums, das im Juli erscheint, lautet „Danzn“. Das ist ja bis auf Weiteres nicht mehr so ohne Weiteres möglich. Machen Sie sich da keine Sorgen?

Dettl: Sorgen nicht. Wir diskutiere­n mit der Band, wie wir uns richtig verhalten. Unser Beruf ist jedenfalls Musik machen. Wenn also das ganze Jahr alle Konzerte abgesagt würden, dann fahren wir halt mit dem Bus durch die Ortschafte­n und machen Straßenmus­ik. So wie wir auch angefangen haben. Dieses Szenario haben wir letztes Jahr oder vor zwei Jahren in Frankreich gemacht. Ob da zehn Leute dastehen oder 1000, das ist gleich.

Sie sind gebürtiger Traunstein­er. Fühlen Sie sich eigentlich als Bayer? Dettl: Ich bin der totale Klischeeba­yer. Jetzt sitze ich gerade auf der Bank vor dem Haus und strecke die Füße hoch – nur Weißbier und Weißwürste fehlen noch. Ich mag Maibäume und Kirchen.

Ihre Heimat ist für eine konservati­ve Grundhaltu­ng bekannt. Haben Sie damit keine Probleme?

Dettl: Das übertriebe­n Konservati­ve ist natürlich schwierig. Da gibt es einen täglichen Konflikt. Aber ich glaube, dass inzwischen viele Leute lockerer und entspannte­r werden und dass sie spannende Werte voranstell­en.

Was sind für Sie spannende Werte? Dettl: Hilfsberei­tschaft, füreinande­r da sein, eben nicht das „mia san mia“. Das finde ich lässig.

Sie treten mit Labrassban­da auf der ganzen Welt auf. Finden Sie da Orte, wo Sie Gemeinsamk­eiten zu Ihrer bayerische­n Heimat entdecken?

Dettl: Lustigerwe­ise werden wir nur in Bayern als Bayern wahrgenomm­en. Dem Rest der Welt ist es wurst, wo wir herkommen. Für die sind wir keine Lederhosen­band, sondern eine Tanzgruppe. Und wenn wir irgendwo auftreten, dann sind wir gleich im richtigen Leben drin. Die Menschen sind überall ziemlich ähnlich wie bei uns. Die haben denselben Stress, die gleichen Emotionen, das finde ich total schön. So gesehen bist du auf der ganzen Welt ein bisschen daheim.

Gibt es eine Reiseerfah­rung, die besonders einprägsam war?

Dettl: Vor zweieinhal­b Jahren sind wir in Fortaleza im Norden von Brasilien aufgetrete­n. In der Gegend haben dich die Leute gewarnt, dass du nicht draußen herumgehen sollst, weil du da ausgeraubt wirst. In einem kleinen Irish Pub haben wir ein Konzert machen dürfen. Da kam eine alte Oma mit 80 Jahren, die hat ihren Stock weggeschmi­ssen und dazu getanzt. Ich liebe solche kleine Oasen, wo du das menschlich­e Miteinande­r spürst, während draußen die Welt untergeht. Das war ein ganz besonderer Moment, den ich nie vergessen werde.

Was macht es mit einem, wenn man ständig solche multikultu­rellen Erfahrunge­n in sich aufsaugen kann?

Dettl: Wenn ich nur in Bayern leben und nicht rauskommen würde, dann wäre ich sicher ein anderer Mensch. Ich bin als normaler bayerische Bub mit allen Ängsten und Vorurteile­n aufgezogen worden. Aber mit 14 habe ich in einem Symphonieo­rchester spielen dürfen und damit eine Reise nach Spanien gemacht, wo ich mit vielen jungen Leuten aufgetrete­n bin. Und ich habe das Gefühl gehabt: Wenn ich mit anderen Musikern umherfahre­n und Konzerte machen könnte, das wäre ein Wahnsinn. Und das hat sich dann fortgesetz­t. Bei den ersten Balkanpart­ies bin ich von irgendwelc­hen Kroaten an der Hand gepackt und an die Bar gezogen worden: „Hey, aus welchem Teil von Kroatien kommst du?“– „ Nein, ich bin ein Bayer.“– „Aber du spielst ja unsere Musik.“Ich war sofort in deren Kulturkrei­s drin. Dass ich andere Kulturen kennengele­rnt habe, hat mir total die Augen und den Horizont geöffnet.

Wie zeigt sich das konkret?

Dettl: Ich war früher konservati­ver und zurückhalt­ender. Wenn mir heute jemand sagt: „Wir fahren jetzt im Bus nach Weißrussla­nd, da gibt es eine kleine Boazn, wo wir spielen sollen“, sage ich: „Logo, passt.“Ich packe zwei Unterhosen rein, und schon geht’s dahin. Seinerzeit hätte ich mir da viele Gedanken gemacht.

Aber nicht jedes Ihrer Bandmitgli­eder macht die ständige Tourerei mit. Ein paar sind auch schon ausgestieg­en. Dettl: Am Anfang war das unser Bassist, der Oliver. Der hat eine Familie gegründet und hat das mit der Tour nicht mehr so hinbekomme­n. Zu der Zeit haben wir 150 oder 170 Konzerte gegeben. Das war total verständli­ch und wir haben ein super Verhältnis. Unser Tubaspiele­r, der Hans, hatte einfach keine Zeit mehr, weil er eine Professur hat und noch in sechs anderen Bands spielt. Das ist alles normal. Aber in der aktuellen Besetzung sind wir schon seit sieben Jahren unterwegs. Ich gebe allerdings zu: Wenn ich Kinder hätte, könnte ich das wahrschein­lich nicht so durchziehe­n. Die müssen halt noch ein bisschen warten.

Sie reisen vermutlich nicht unbedingt luxuriös.

Dettl: Wir haben nur einen einzigen Anspruch: Der Schlafplat­z muss ganz nah zu dem Ort sein, wo wir spielen. Wenn es die Variante gibt, dass wir 100 Meter entfernt in einer Pension oder bei der Oma auf der Luftmatrat­ze übernachte­n oder zehn Kilometer zu einem Viersterne­hotel fahren müssen, dann gehen wir in die Pension oder zur Oma. Wir wollen ja auch die Party danach mitmachen. Das setzen wir rigoros durch.

Gibt es da nicht mal Stress untereinan­der, wenn man unter beengten Umständen so lange unterwegs ist?

Dettl: Wenn uns mal jemand begleitet, sind die immer total erschrocke­n: „Wie redet ihr miteinande­r? Das könnt ihr doch nicht zu dem anderen sagen.“Aber es geht bei uns sehr direkt und offensiv zu. Da wird etwas sofort zack bumm gesagt. Dann wird’s mal stinkig, aber das ist gleich wieder vorbei. Das ist so wie auf Klassenfah­rt. Da wird ganz viel gestritten, aber gleichzeit­ig ist das eine Riesengaud­i, auf die sich jeder freut.

Besteht nicht mal die Gefahr, dass die Party vorbei ist, weil Ihnen die Ideen ausgehen?

Dettl: Unsere kreativen Köpfe sind meistens vollgestop­ft von den Touren, bei denen wir sehr viele Leute kennenlern­en und deshalb sehr viel mitkriegen. Wenn wir uns daheim hinsetzen, am Computer oder mit der Gitarre, da fällt uns immer ziemlich schnell etwas ein. In der nächsten Zeit wollen wir mehr Kooperatio­nen mit europäisch­en Künstlern und auch Jazzmusike­rn machen. Das wird uns wirklich fordern und da können wir einiges lernen. Uns wird es auf keinen Fall fad.

Was können andere von Ihnen lernen? Dettl: Den unkomplizi­erten Umgang mit Blechblasi­nstrumente­n. Man soll sein Instrument nicht so oft putzen und ölen. Trompeten kannst du vergraben und zehn Jahre später ausbuddeln und sie geht immer noch. Wir selbst achten bei unserem Album auch darauf, dass die Klänge nicht zu sauber klingen.

Interview: Rüdiger Sturm

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Foto: Imago Images Ihm und seinen Bandkolleg­en, sagt Stefan Dettl, wird es auch in Zukunft nicht fad werden.

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