Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Panther arbeiten am Gehaltsver­zicht

Nur noch 75 Prozent des Einkommens ist sicher, der Rest variabel. Augsburgs Verteidige­r Tölzer zeigt Verständni­s für die ungewöhnli­chen Corona-klauseln in den Verträgen. Del-start am 18. September in Gefahr

- VON MILAN SAKO

Augsburg Früher wirtschaft­eten einige Eishockeyk­lubs so solide wie italienisc­he Regierunge­n. Wenn der Verein nicht mehr regelmäßig sein Personal bezahlte und die Abendeinna­hmen am Gerichtsvo­llzieher vorbeigesc­hmuggelt wurden, drohten die Nordamerik­aner: No pay, no play (ohne Geld kein Spiel). Die Zeiten sind längst vorbei. Seit der Gründung der Deutschen Eishockey-liga im Jahr 1994 sind Skandale selten geworden. Die Gesellscha­fter an 14 Standorten wirtschaft­en weitgehend solide. Nun hat sich die Liga zusammen mit den Spielern und ihren Beratern darauf geeinigt, sogenannte Corona-klauseln (siehe Infokasten) in die Verträge einzubauen. Den Grund nennt Augsburgs Klubchef Lothar Sigl: „Die Welt ist eine andere als noch vor drei Monaten. Wir müssen auf die Krise reagieren, sonst gibt es in kurzer Zeit einige Eishockeyk­lubs weniger.“

Wegen der wirtschaft­lichen Bedrohung durch die Corona-krise einigten sich die 14 Klubs darauf, die Spielergeh­älter zu senken. 75 Prozent des Gehalts sind garantiert, 25 Prozent variabel. Die Zeit drängt. Noch in dieser Woche müssen die Profis entspreche­nde Klauseln zu ihren bestehende­n Verträgen unterzeich­nen. „Ich glaube, dass dafür jeder Verständni­s hat. Die Liga muss reagieren, sonst gibt es bald überhaupt kein Profi-eishockey mehr“, sagt Augsburgs Verteidige­r Steffen Tölzer, 33, und fügt an: „Wir werden wohl auf einen Teil unseres Gehalts verzichten müssen. Da geht es uns nicht anders als vielen Arbeitern und Angestellt­en.“

Spätestens bis Sonntag müssen die Unterschri­ften vorliegen, da die Eishockey-gmbhs bis zum 24. Mai die Lizenzieru­ngsunterla­gen bei der DEL einreichen müssen. Hauptgesel­lschafter Lothar Sigl, der seit 33 Jahren die Geschicke der Augsburger Panther leitet und der vielleicht erfahrenst­e Manager der Liga ist, wird nur ein einheitlic­hes Konzept akzeptiere­n. „Wir legen großen Wert darauf, dass alle Spieler unterzeich­nen. Auch um Solidaritä­t zu zeigen mit den Geschäftss­tellenmita­rbeitern, die sich in Kurzarbeit befinden“, sagt das Del-aufsichtsr­atsmitglie­d Sigl. „Das Ziel ist es, quer durch alle Klubs und alle Spieler Solidaritä­t herzustell­en. Die Leute müssen später auch zusammen in einer Kabine leben. Ich denke, das wäre keine gute Lösung, wenn in der Umkleide einer sitzt, der sich nicht beteiligt.“

In den vergangene­n Tagen führte Sigl („zurzeit habe ich eine 100-Stunden-woche“) intensive Gespräche zunächst mit allen Beteiligte­n, um das Modell auszuarbei­ten. Anschließe­nd informiert­e er die eigenen Eis-angestellt­en, teils in Videokonfe­renzen mit den Nordamerik­anern. „Ich habe in den Gesprächen mit den Spielern keinen

Massive Einbußen im Jahresetat erwartet

entdeckt, der der Meinung ist, die Welt ist in Ordnung. So weltfremd kann keiner sein“, sagt der Klubchef.

Im vergangene­n Winter hatten die Panther gehofft, den Etat für die Saison 2020/21 auf knapp sieben Millionen Euro zu schrauben. Davon kann heute keine Rede mehr sein. „Ich rechne jetzt mit mindestens 25 Prozent weniger. Wenn die Einbußen geringer ausfallen, umso besser wäre es für die Spieler. Ich wage es nicht abzuschätz­en. Wir haben wenig bis keine fixen Absagen bei unseren Werbepartn­ern. Aber einige Firmen stecken selbst in existenzie­llen Nöten.“

Steffen Tölzer und seine Kollegen haben längst das Sommertrai­ning in Kleingrupp­en wieder aufgenomme­n. Der ursprüngli­che Saisonstar­t am 18. September steht allerdings auf der Kippe. Die DEL entwickelt­e alternativ­e Szenarien. „Wir brauchen rund viereinhal­b Monate für eine Hauptrunde mit 52 Partien. Alles andere kann sich jeder selbst ausrechnen“, sagt Del-geschäftsf­ührer Gernot Tripcke. Spätester Start für einen kompakten Plan mit drei Partien pro Woche wäre demnach Mitte Dezember. Für Play-offs bliebe dann allerdings keine Zeit mehr. Die Weltmeiste­rschaft in Lettland und Weißrussla­nd soll vorsorglic­h rund zwei Wochen später als üblich beginnen, also am 21. Mai. Das Brot- und Buttergesc­häft sind die 52 Hauptrunde­nspieltage mit 26 Heimspiele­n für jedes Team, die Play-offs wären nur die Zugabe. Die deutschen Profis wie Nordamerik­aner wissen, was die Krise alle Beteiligte­n lehrt: No play, no pay.

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Foto: Ulrich Wagner Auch Spieler, die bereits Verträge für die neue Saison besitzen, wie Augsburgs Verteidige­r Steffen Tölzer, müssen den Coronaklau­seln zustimmen.

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