Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Muslime nach Anschlägen in Sorge
Der Attentäter von Waldkraiburg wollte eine „Spirale der Gewalt“erzeugen
Waldkraiburg/karlsruhe Der mutmaßliche Attentäter von Waldkraiburg hat gestanden, Anschläge auf Moscheen und türkische Einrichtungen geplant zu haben. Der 25-Jährige habe sich gegenüber den Ermittlern freimütig geäußert, war aus Karlsruhe zu erfahren. Die dort sitzende Bundesanwaltschaft hat am Dienstag die Ermittlungen in dem Fall übernommen. Demnach wollte der Mann, der sich als Is-anhänger bezeichnet, zwischen dem 15. und 17. Mai mehrere Moscheen des Islamverbandes Ditib angreifen. Muslime und Türken sind verängstigt und hoffen, dass vor allem mögliche Komplizen schnell gefasst werden. Die Ermittler prüfen noch, ob der deutsche Staatsangehörige allein handelte oder Unterstützer hatte.
Anschlägen auf Moscheen im Raum Waldkraiburg (Landkreis Mühldorf am Inn) sollten Angriffe auf das türkische Generalkonsulat in
München und die Ditib-zentralmoschee in Köln folgen. Dabei habe er die Imame erschießen wollen und sich dafür eine Pistole samt Munition beschafft sowie seit Februar 23 Rohrbomben und 34 Kilogramm Sprengstoff hergestellt, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Für den Anschlag auf die Kölner Moschee wollte er offenbar eine Bombe mit hoher Sprengkraft verwenden.
Der Mann war vor eineinhalb Wochen wegen mehrerer Anschläge auf Geschäfte türkischstämmiger Inhaber in der oberbayerischen Stadt festgenommen worden. Der Bundesanwaltschaft zufolge hat sich der Mann seit 2017 religiös radikalisiert, wurde Anhänger eines islamistisch-dschihadistischen Weltbildes sowie der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS). Wegen des Handelns der Türkei im Syrienkonflikt sowie dem Umgang mit einigen Predigern in der Türkei habe er „einen nachhaltigen Hass auf den türkischen Staat und Menschen türkischer Abstammung“entwickelt. Mit seinen Taten habe er „eine Spirale
von Gewalt und Gegengewalt“erzeugen wollen, heißt es in der Mitteilung. Für eine Mitgliedschaft bei der Terrororganisation IS haben die Ermittler bisher wohl keine Anhaltspunkte. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mann versuchten Mord in 27 Fällen vor, außerdem gefährliche Körperverletzung, die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, einen Verstoß gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung.
„Es müssen schnell die Hintermänner gefasst werden“, sagte der Geschäftsführer des türkisch-islamischen Ditib-landesverbands Südbayern, Aykan Inan, „von irgendwem muss er ja die Waffen gekriegt haben.“Es habe zwar seit Jahren eine latente Sorge gegeben, so Inan. Aber es sei doch überraschend, dass sich jemand auch in dieser ländlicheren Gegend derart radikalisiert. „Man hat da eher in Frieden gelebt. Nun sind wir verängstigt.“Der Generalsekretär des Ditib-bundesverbands, Abdurrahman Atasoy, mahnte ein Umdenken in Politik und Gesellschaft an. Oft würden Fälle bagatellisiert oder nicht ernst genommen. Nach dem Anschlag von Hanau vor drei Monaten, als ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschoss, habe die Politik Besserung gelobt: „Leider sind die nötigen Schritte bislang ausgeblieben.“
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hatte sich der Beschuldigte unter anderem gewaltsam Zutritt zum Gebetsraum der Sultanahmet-moschee in Waldkraiburg verschaffen wollen, um dort Schäden anzurichten. Nachdem ihm das nicht gelungen sei, habe er einen Brandsatz in eine vor einem benachbarten Wohnhaus abgestellten Altpapiertonne gelegt. Weil die Flammen rasch erloschen, entstand kein Schaden. Bei dem Brandanschlag auf einen Obst- und Gemüseladen am 27. April in der Nacht habe er den Tod der 27 im Gebäude anwesenden Menschen billigend in Kauf genommen. Sechs Menschen wurden durch die Rauchentwicklung verletzt.
Er besorgte sich eine Pistole und bastelte 23 Bomben