Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wirbel um eine Richterin
Die Linken-politikerin Barbara Borchardt ist nun Verfassungsrichterin – und zugleich Mitglied einer Gruppe, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird
Die Linken-politikerin Barbara Borchardt ist nun Verfassungsrichterin – und zugleich Mitglied einer Gruppe, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wie passt das zusammen?
Um die Landes verfassungsge richte gibt es in aller Regel kaum Trubel. Die großen Fragen, die die Menschen beschäftigen, werden schließlich zumeist in Karlsruhe geklärt. Barb ar aBor ch ardt hat das geändert. Die Politikerin aus Mecklenburg-vor pommern ist Mitglied der Antikapitalistischen Linken, einer Vereinigung der Links partei, die im Bundes verfassungsschutz bericht auftaucht. Nun soll Borchardt selbst die Verfassung schützen – als Richterin am Landes verfassungs gericht.
Kritiker nennen die 64-Jährige, die in der DDR bis zum Mauerfall Mitglied der SED war, eine „linksradikale Anti-demokratin“oder sogar einen „Verfassungsfeind“. In ihr neues Amt gewählt wurde sie trotzdem ganz demokratisch – von allen Fraktionen außer der AFD. Und es ist nicht das erste Mal, dass sie genug Stimmen für ein staatstragendes Amt gesammelt hat. Von 1998 gehörte sie mit Unterbrechung als Abgeordnete dem Landtag von Mecklenburg-vorpommern an.
Immer wieder steht die Diplomjuristin, die bereits seit drei Jahren stellvertretendes Mitglied des Landesverfassungsgerichts war, in der Diskussion. 2011 schrieb sie zum Beispiel an einem Positionspapier der Linksfraktion mit, in dem es heißt, der Mauerbau sei „für die Führungen der Sowjetunion und der DDR ohne vernünftige Alternative“gewesen. In jener Deutschen Demokratischen Republik, die sie in diesem Papier verteidigt, ist Borchardt aufgewachsen. In der Uckermark, in Templin. Dort machte sie auch ihr Abitur – ebenso übrigens wie Angela Merkel, allerdings erst ein Jahr nach der Bundeskanzlerin. Mit 18 Jahren bekam Borchardt ihr erstes von drei Kindern und begann, in der Verwaltung der Kleinstadt zu arbeiten. Mit 20 trat sie der SED bei und wurde Bürgermeisterin der Gemeinde Rutenberg. Nach zwei Jahren zog sie weiter nach Daberkow, wo sie ebenfalls als Bürgermeisterin eingesetzt wurde. Und das blieb sie bis zum Mauerfall.
Vergangene Woche wählte sie der Schweriner Landtag nun als Richterin für das Verfassungsgericht. Und wieder gibt es eine lautstarke Debatte. Borchardts Mitgliedschaft in der Antikapitalistischen Linken macht sie in den Augen ihrer Kritiker ungeeignet für dieses Amt. Denn die Arbeitsgemeinschaft der Linkspartei fordert einen„ grundsätzlichen System wechsel“und die Überwindung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch einen„ Bruch mit den kapitalistischen Eigentums strukturen “. So heißt es im Verfassungsschutz bericht des Bundes aus dem Jahr 2018.
Austreten will Borchardt trotzdem nicht. In der Welt erklärte sie: „Meine Mitgliedschaft inder Antikapitalistischen Linken steht nicht im Widerspruch zu meiner Tätigkeit als Landes verfassungs richterin, deswegen werde ich meine Mitgliedschaft auch nicht ruhen lassen.“Eine kapitalistische Grundordnung, so Borchardt, sei nicht im Grundgesetz verankert. Einen Bruch mit den kapitalistischen Eigentums strukturen lehne sie nicht grundsätzlich ab. Zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge gehörten in die öffentliche Hand. Christoph Lotter