Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Verzweifelt gesucht: Ein Kanzlerkandidat für die SPD
Der Fraktionschef wird neuerdings genannt, wenn es darum geht, wer Spd-kanzlerkandidat wird – obwohl es zuletzt Pannen gab
Berlin In den Umfragen dümpelt die SPD zwischen 15 und 16 Prozent, während der Koalitionspartner Union Höhenflüge hinlegt. Das dürfte weniger an der viel gelobten Arbeit der Regierungsmitglieder liegen als daran, dass die SPD ihr Führungsproblem noch immer nicht geklärt hat. Keine gute Ausgangsposition, um sich darüber zu streiten, wer Kanzlerkandidat wird. Bekommt in dieser tristen Situation der Spdfraktionschef Rolf Mützenich seine große Chance? Darüber spekulierte am Dienstag das Politik-magazin Cicero.
Nominell wären eigentlich erst einmal andere Köpfe gefragt: Zwar haben die Parteilinken Saskia Esken und Norbert Walter-borjans im Dezember die Parteispitze erobert. Doch der erwartete Umschwung blieb aus, viele sind ernüchtert. Keiner von ihnen will antreten. Und damit haben die Genossen ein Problem. Denn der Einzige, der sich als Kanzlerkandidat derzeit geradezu aufdrängt, ist Olaf Scholz. Vizekanzler, Finanzminister, Hilfspaket-schnürer in der Corona-krise.
Bei der Bevölkerung der beliebteste Spd-politiker. Aber eben auch jener Olaf Scholz, der vor gerade einem halben Jahr seine wohl größte Niederlage einstecken musste, als die Spd-mitglieder ihm den Sprung an die Parteispitze verwehrten. In der Fraktion soll es eine überwältigende Mehrheit für eine Scholzkandidatur geben.
Oder doch der unscheinbare Parteilinke Rolf Mützenich? Der 60-jährige Rheinländer ist ein versierter Außenpolitiker – doch schon in die Rolle des Fraktionschefs musste er nach dem Rücktritt von
Andrea Nahles gedrängt werden. Eigentlich steht er lieber in der zweiten Reihe – ein leiser Mann, der immer sehr höflich und viel zu nett für einen ausgebufften, eiskalten Wahlkampf wirkt. Mützenich beim Tv-duell gegen einen Unionskandidaten Friedrich Merz? Schwer vorzustellen.
Doch Mützenich hat sich zuletzt zumindest ins Gespräch gebracht. Innerhalb weniger Wochen sorgte er zweimal für Irritationen in den eigenen Reihen: Zunächst mit der Forderung, alle Us-atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Und dann mit der umstrittenen Neubesetzung auf dem Posten des Wehrbeauftragten, nach der sich der renommierte Spd-parlamentarier Johannes Kahrs tief beleidigt aus dem Bundestag zurückzog.
Und er selbst? Rolf Mützenich sagte kürzlich den Zeitungen der Funke-mediengruppe: „Die Bürgerinnen und Bürger sehen offenbar Olaf Scholz heute als beste Wahl. Ich vertraue grundsätzlich deren Urteil, aber wir entscheiden das nicht heute.“