Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ihk-präsident warnt vor zweitem Runterfahren der Wirtschaft
Die konjunkturelle Lage in Schwaben ist dramatisch. Nun wendet sich Andreas Kopton mit einem eindringlichen Appell an die Politik
Augsburg Andreas Kopton hat das Unwort seines Lebens gefunden. Es heißt „Lockdown“und steht für das Runterfahren der Wirtschaft im Zuge der Corona-krise. So sagt der Präsident der schwäbischen Industrieund Handelskammer: „Aus unternehmerischer Sicht war der Lockdown eine Katastrophe.“Die Auswirkungen der radikalen Maßnahme auf Firmen in der Region lassen sich in dem am Dienstag in Augsburg vorgestellten Ihk-konjunkturbericht nachlesen. Nun liegt ein Dokument tiefer Einschläge in eine Wirtschaftsregion vor, die rund zehn Jahre lang einen Boom sondergleichen erlebt hat. Überschrieben sind die niederschmetternden Erkenntnisse der von Anfang bis Mitte Mai vorgenommenen Umfrage unter rund 1000 Unternehmen mit der dramatischen Botschaft: „Schwabens Wirtschaft im freien Fall – steilster Absturz der letzten 20 Jahre“. Wie zu erwarten war, wurden die beiden
Branchen „Tourismus“und „Gastronomie“vor dem Transportgewerbe, dem Einzelhandel und der Industrie am heftigsten gebeutelt. Folglich bezeichneten 36 Prozent der befragten Unternehmer aus der Gastronomie und dem Tourismus ihre Liquiditätslage zum 30. April als „existenzbedrohend“und 39 Prozent als „schlecht“. Nur 22 Prozent sehen ihre finanzielle Situation als „befriedigend“an und drei Prozent als „gut“. Immerhin hält sich als einziger Lichtblick die Bauwirtschaft noch wacker, auch wenn hier Unternehmer zunehmend skeptischer in die Zukunft blicken.
Damit hat die Krise nahezu alle Ihk-branchen massiv erfasst. Folglich berichten 49 Prozent aller Unternehmer, ihnen würden neue Aufträge wegbrechen und 44 Prozent beklagen Stornierungen. Da verwundert es nicht, dass 47 Prozent der Firmen angeben, ihre Personalkapazitäten an die schwächere Nachfrage anpassen zu müssen.
Angesichts des „starken Absturzes“geht Ihk-hauptgeschäftsführer Marc Lucassen nicht davon aus, dass sich die massiven Umsatzeinbrüche in diesem Jahr aufholen lassen. Er spricht von einem „sehr bedrohlichen Szenario“, lässt aber auch Zuversicht erkennen: „Der Wirtschaftsstandort muss und wird die Krise meistern.“Auf dem Gebiet positiven Denkens hat sich Ihkpräsident Kopton während der letzten Wirtschaftskrise, dem Finanzmarkt-desaster der Jahre 2008 und 2009, einen Namen gemacht. Denn als viele in Resignation verfielen, ließ er von seinem Optimismus nicht ab. Zu solch hoffnungsvollem Denken wirkt der Unternehmer immer noch bereit, doch nur, wenn die Politik auf ein zweites Herunterfahren der Wirtschaft im Zuge der Pandemie verzichtet.
Für den Ihk-präsidenten sollte seine Forderung „Nie wieder Lockdown“zur obersten Handlungs-maxime der Verantwortlichen werden: „Nehmt die Angst raus, dann läuft das wieder. Lasst uns endlich wieder in Ruhe wirtschaften.“Dazu gehören für Kopton weniger lebensfremde Regelungen im Zuge der Coronakrise: „Ich mag keine Verbote. Das erzeugt Druck. Und Druck erzeugt Gegendruck.“Was glaube eigentlich die Politik, was sie da mache, meint der emotional sichtlich aufgewühlte Kammer-präsident. Für die Zukunft wünscht er sich auf politischer
Ebene eine Pandemie-gruppe, die nicht nur aus Virologen, sondern auch aus Unternehmern, Psychologen und Medienvertretern besteht.
Kopton wirkt jedenfalls fest davon überzeugt, „dass die regionale Wirtschaft einen zweiten Lockdown nicht überstehen kann“. Deshalb fordert er die Bundesregierung auf, Unternehmen, was Steuern und Abschreibungsmöglichkeiten betrifft, besserzustellen. Zudem seien bezahlbare Strompreise und staatliche Investitionen in die digitale Infrastruktur sowie die Aus- und Weiterbildung hilfreich. Die Wunschlisten von Firmenvertretern sind derzeit ausgesprochen lang, „haben doch die Folgen des Lockdown tiefrote Zahlen in den Kassen der Mitgliedsunternehmen hinterlassen“, wie Kopton beklagt.