Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
München macht Platz für Radler
Corona verändert auch den Verkehr: Die Landeshauptstadt wandelt jetzt Autospuren in Fahrradwege um
München Rauf aufs Rad! Bei schönem Wetter ist das Fahrrad für viele das Verkehrsmittel der Wahl, erst recht in Corona-zeiten. Sie strampeln momentan lieber an der frischen Luft, als sich in Bus oder U-bahn womöglich mit Coronaviren anzustecken. Auf Fahrradwegen wird es deshalb oft sehr eng. 1,50 Meter Abstand halten – für Radler meist unmöglich. Die Stadt München will das ändern. Auf ausgewählten Straßen sollen einzelne Auto-fahrspuren für Radler umgewidmet werden, vorerst bis Ende Oktober, wie der städtische Planungsausschuss nun beschlossen hat.
Das Vorbild für diese Pop-upradwege ist Berlin. „Andere Städte in Bayern sollten dem Beispiel der Landeshauptstadt folgen und gerade jetzt mehr Platz für Rad- und Fußverkehr schaffen“, fordert Laura Weis vom BUND Naturschutz in Bayern. Mehrere Verbände haben eine Petition gestartet, die sich an Städte in Bayern richtet. Das Motto: „Macht Platz – für corona-sichere Rad- und Gehwege“. Am vergangenen Samstag gab es bereits Aktionen in mehreren Städten, darunter Augsburg, Regensburg oder Würzburg, wo Aktivisten für kurze Zeit Pop-up-radwege errichteten.
Tatsächlich erlebt das Radfahren gerade einen Boom. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-club (ADFC) zitiert Umfragen, nach denen bis zu 75 Prozent der bisherigen Nutzer des Öffentlichen Nahverkehrs momentan lieber privat fahren, um sich nicht anzustecken. Auch der Münchner Fahrradbeauftragte Florian Paul registriert seit Beginn der Corona-beschränkungen eine massive Zunahme des Radverkehrs. „Auf den Fahrradwegen war es schon vorher eng an vielen Stellen in der Stadt, jetzt wird es noch enger.“Dasselbe Bild auf den Straßen: Im April, als die meisten Menschen zu Hause saßen, waren rund ein Drittel weniger Autos unterwegs. Jetzt liege der Verkehr fast schon wieder auf normalem Niveau – und es könnte noch mehr werden. Deshalb müsse man jetzt die Weichen für eine Verkehrswende stellen, sagt Paul, „damit München nicht im Dauerstau erstickt“.
Die Stadt will die vorübergehenden Radwege unter anderem an zwei Abschnitten der Rosenheimer Straße und an der Gabelsbergerstraße einrichten, möglichst rasch. Im Herbst soll dann beraten werden, ob das Projekt weitergehen kann, denn der Radverkehr spielt in Münchens Plan für eine langfristige Verkehrswende eine große Rolle.
Gegner der Pop-up-radwege beklagen den Verlust von Fahrspuren für die Autos. Nicht glücklich sind auch manche Ladeninhaber, vor allem, wenn deswegen Parkplätze verloren gehen. Münchens Fahrradbeauftragter Paul hält diese Sorgen aber für unbegründet. Er geht davon aus, dass die Geschäfte entlang dieser Routen sogar mehr Kunden bekommen als zuvor. Denn Radler könnten spontan an einem Geschäft anhalten und einkaufen, ohne erst lange nach einem Parkplatz zu suchen.