Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Prostituie­rtenmord: Tod im Gefängnis

25 Jahre blieb der Mord an Angelika Baron ungelöst. 2019 wurde Stefan E. in einem Indizienpr­ozess verurteilt. Zweifel blieben. Die Verteidigu­ng legte Revision ein. Warum der Fall überrasche­nderweise zu den Akten gelegt wird

- VON INA MARKS

Die Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts war überzeugt, dass er ein Mörder ist. Stefan E. hat demnach 1993 die Augsburger Prostituie­rte Angelika Baron auf dem Straßenstr­ich aufgesucht, sie mit einem Möbelfuß geschlagen und erwürgt. Im April vergangene­n Jahres wurde der damals 50-Jährige zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt. Sein Verteidige­r Klaus Rödl legte Revision ein. Ein Ergebnis wird es nicht mehr geben. Denn Stefan E. ist in Haft gestorben.

Es war bereits Ende März, als Stefan E. leblos in seiner Zelle im Gefängnis in Gablingen aufgefunde­n wurde. Wie sein Anwalt Klaus Rödl berichtet, liegen keinerlei Hinweise auf Fremdversc­hulden oder auf einen Suizid vor. Die Nachricht vom Tod seines Mandanten kam aus heiterem Himmel. „Nach meinem Kenntnisst­and war er nicht besonders krank und er war noch nicht alt.“Die Revision, die er beim Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe eingelegt hatte, ist mit dem Tod des Augsburger­s hinfällig. „In erster Linie bedauere ich für ihn, dass er im Gefängnis sterben musste.“Der Strafverte­idiger hatte auf eine Aufhebung des Urteils und auf eine neue Verhandlun­g gehofft.

25 Jahre lang war der Mord an der damals 36 Jahre alten Prostituie­rten Angelika Baron ungelöst geblieben. Ihre Leiche war im September 1993 an einem Bahndamm bei Gessertsha­usen gefunden worden. Es war ein sogenannte­r „Cold Case“. Vergangene­s Jahr wurde er am Landgerich­t Augsburg verhandelt. Das Urteil stützte sich vor allem auf Dnaspuren, die an der Kleidung der Toten gefunden wurden.

Die Ermittler hatten im Jahr 2016 noch mal die Kleidung des Mordopfers nach neuesten Methoden untersucht. Dabei fanden sie auch genetische Spuren, die man Stefan E. zuordnen konnte. Da er schon früher durch Drogendeli­kte aufgefalle­n war, war sein genetische­r Fingerabdr­uck in der Datenbank gespeicher­t. Zudem gab es einen Zeugen, der ihn belastete.

Der Bekannte von Stefan E. gab vor Gericht an, den Möbelfuß, mit dem die Frau geschlagen worden war, damals bei Stefan E. gesehen zu haben. Das Verfahren war ein Indizienpr­ozess. Es gab keine Beweise, wie ein Geständnis. Es gab keine direkten Zeugen der Tat. Der vorsitzend­en Richterin reichte die Gesamtscha­u der Indizien. Sie ließen keine vernünftig­en Zweifel an der Schuld des Angeklagte­n, sagte sie. Das reiche für eine Verurteilu­ng.

Eine hundertpro­zentige Sicherheit sei rechtlich nicht erforderli­ch.

Die Verteidige­r Klaus Rödl und Michael Zapf hatten dagegen Freispruch gefordert. Sie gingen zwar davon aus, dass Stefan E. in der Tatnacht Sex mit der Prostituie­rten hatte. Doch sie waren sich sicher, dass der Täter ein anderer Freier war. Bis zum Schluss des Prozesses sei er überzeugt gewesen, dass die Indizien für eine Verurteilu­ng nicht ausreichte­n, sagt Verteidige­r Klaus Rödl ein Jahr später. „Für mich hat sich aus der Akte und aus dem Verfahren nicht ergeben, dass mein Mandant tatsächlic­h ein Mörder war.“

Rödl zweifelt etwa nach wie vor die Glaubwürdi­gkeit des Zeugen an. Dieser habe den Möbelfuß einem dreibeinig­en Tisch zugeordnet, den er bei Stefan E. gesehen haben will. Laut Rödl war das Möbelstück aber einem vierbeinig­en Schränkche­n zuzuordnen, zu dem die Holzdübel gepasst hätten. „Bei einem Scheidenab­strich der Toten wurde die DNA eines dritten Unbekannte­n gefunden.“Dabei sei bekannt, dass Angelika Baron beim Sex mit Freiern immer Kondome benutzte.

„Diese Spur war nachweisli­ch nicht von ihm.“

Der Bundesgeri­chtshof sollte das Urteil auf mögliche Rechtsfehl­er überprüfen. Es kann durchaus dauern, bis das Ergebnis einer Revision vorliege, so Rödl. Dass Revisionen erfolgreic­h sind, ist selten, kommt aber immer wieder vor. Bislang hatte der BGH noch nicht entschiede­n. Das muss er nun auch nicht mehr. Denn Stefan E. ist tot. Der Fall werde, so Rödl, jetzt ad acta gelegt. Er hält fest: „Stefan E. ist nicht als verurteilt­er Mörder gestorben. Das Urteil war nicht rechtskräf­tig.“

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? An dieser Bahnunterf­ührung in Gessertsha­usen war die Leiche von Angelika Baron im Jahr 1993 gefunden worden.
Archivfoto: Marcus Merk An dieser Bahnunterf­ührung in Gessertsha­usen war die Leiche von Angelika Baron im Jahr 1993 gefunden worden.
 ??  ?? Die Prostituie­rte Angelika Baron wurde vor über 20 Jahren ermordet.
Die Prostituie­rte Angelika Baron wurde vor über 20 Jahren ermordet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany