Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Brecht lächelt mit dem Virus um die Wette
Ihre Heimatzeitung bekommt Hella Buchner-kopper schon eine Ewigkeit. Jetzt dient sie ihr auch als Material. Eine Vielzahl von Collagen wirken wie ein geistreicher und bissiger Kommentar zum Corona-tagesgeschehen
Die Augsburger Allgemeine kommt bei ihr schon seit einer Ewigkeit ins Haus. Seit 40 Jahren lebt Hella Buchner-kopper in Augsburg, in die Stadt gekommen ist die Künstlerin, weil ihr Mann damals Bühnenbildner und Ausstattungsleiter am Theater Augsburg wurde. Immer wieder schon diente ihr unsere Tageszeitung als Ausgangsmaterial für eigene Arbeiten. „Die Zeitung ist so schön haptisch“, sagt sie. In einem großen Schuhkarton gibt es eine regelrechte Materialsammlung.
Als das Coronavirus das öffentliche Leben in Deutschland lahmgelegt hat, entstand nun in schneller Folge eine Serie an Collagen, in der sie das Tagesgeschehen mit eigenen Eingriffen gedeutet und kommentiert hat. Da hat Markus Söder auf einem Bild der Ausgabe vom 23. März plötzlich die heilige Corona aus dem Aachener Dom auf dem Kopf – verbunden mit der Überschrift „Heilige Corona, hilf!“und darunter hat das Reichstagsgebäude in Berlin statt der markanten und beliebten Kuppel eine Rolle Toilettenpapier aufgesetzt bekommen –
Deutschland einig Hamsterland, während die Politik gerade das öffentliche und soziale Leben in Deutschland auf ein noch nie da gewesenes Minimum herunterfährt.
Zu einem Artikel über eine Ausstellung mit Brecht-masken aus dem Jahr 2017 hat sie dem Schriftsteller zusätzlich eine Corona-maske aufgesetzt, weiß-blau rautiert und gerade aufgesetzt mit Söders Händen, die sie anderswo ausgeschnitten hat. Alle im Kulturbereich spüren bis heute schmerzlich, dass sie zu den Ersten gehörten, die von den Corona-einschränkungen betroffen waren, und nun zu den Letzten zählen, die zu einer neuen Normalität finden müssen. Auch da kann man hinter allem künstlerischen Witz und aller handwerklichen Könnerschaft auch eine Aussage hören.
Das Montieren, das Collagieren gehört für Buchner-kopper schon lange fest zu den künstlerischen Methoden. Was wiederum äußerst passend ist, wenn man sich kurz ihren künstlerischen Weg vergegenwärtigt: Die Kärntnerin hat am Mozarteum Salzburg Bühnenbild studiert, hat viel später an ihrer Heimatstadt
Klagenfurt über ihren Großonkel, den Maler Maximilian Lenz, promoviert, sie hat in der Zwischenzeit Bücher illustriert, Radierungen und Malerei ausgestellt und zuletzt über Jahre hinweg erst Masken und später Büsten gestaltet. Und da flossen immer auch verschiedene Materialien und Geschichten zusammen –
Zeitgeschichte und persönliche Geschichte, Lokales und Überregionales.
Ihre großen wiederkehrenden Themen – etwa Bertolt Brecht, ihr Heimatland Österreich, die eigene Geschichte – findet sich auch auf den Zeitungs-collagen wieder, etwa auf einem wunderbaren Blatt, in dem sie eine Collage, für die unsere Zeitung kurze Zeit später mit dem European Newspaper Award ausgezeichnet wurde, als Ausgangspunkt genommen hat. Den zerrupften österreichischen Bundesadler, mit dem wir unsere Titelseite nach der Ibiza-affäre rund um Hans-christian Strache veröffentlicht haben, hat sie über das Bild gesetzt, mit dem ein Tag später der Nachruf von Niki Lauda bebildert wurde. Und die Überschrift „Krise in Österreich spitzt sich zu“bekommt dadurch noch einen weiteren Dreh.
Wunderbar ironisch ist dann, wie Buchner-kopper das Titelblatt der Ausgabe vom 16. und 17. Mai umgestaltet. Im Titelthema geht es unter der Überschrift „Zack Zack Zack“um die Fußball-bundesliga, die wieder startet, in der Unterzeile hat Buchner-kopper diesen Beginn auf die Ferieninsel Ibiza verlegt – und diese versucht der ehemalige Fpö-spitzenmann Strache in seiner Vita gerade vergessen zu machen. Rechts oben sieht man ihn als Anreißer, daneben finden sich zwei Händen beim Waschen, frei nach dem Motto: Diese Hygieneregeln gelten für gestürzte Politiker.