Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Virus spaltet die Chorgemeinschaft
Schulter an Schulter, die Münder offen: Gemeinschaftliches Singen während der Pandemie ist in Verruf geraten. Was sagt die Wissenschaft dazu? Und wie ergeht es Chören im Lockdown? Eine Erkundung in der Region
Die in Zeiten der Pandemie viel beschworene Verlagerung ins Digitale stellt für Chöre allenfalls eine Krücke dar. Proben oder gar gemeinsames Singen mittels Videochat dürfte im Amateurbereich auf Ausnahmen beschränkt bleiben, meint Paul Wengert. Bei den Augsburger Domsingknaben kam digitale Unterweisung zwar zustande, etwa indem Stimmgruppen im digitalen Raum zusammentrafen. Aber das waren buchstäblich einseitige Veranstaltungen, berichtet Stefan Steinemann: „Die Jungs konnten zwar mich hören, in umgekehrter Richtung aber blieben die Mikrofone stumm.“Mit Bedacht, denn wenn Chöre von zu Hause aus live den Zusammenklang simulieren, führt das laut Steinemann zu „eher heiteren Momenten“.
Am Donnerstag nahm der Leiter der Domsingknaben zusammen mit den Kollegen der Knabenchöre aus Bad Tölz, Regensburg und Windsheim an einem Treffen im Münchner Kunstministerium teil, um über spezifisch sängerische Belange im Rahmen der Wiederaufnahme des Betriebs zu beraten. Dass der Neustart unter dem Gebot des Social Distancing stehen wird, ist allen in der Chorwelt klar. Doch egal, ob eineinhalb oder zwei Meter Abstand oder gar noch mehr: Stefan Steinemann ist gewillt, die noch festzulegenden Vorgaben als Herausforderung anzunehmen. Man habe auch bisher schon mehrchörig und somit verteilt im Raum gesungen. Ebenso wie Paul Wengert hofft er natürlich auf baldige Auftritte vor Publikum. Vor allem aber sei wichtig, dass es jetzt überhaupt wieder losgehe, dass in die Arbeit mit den Sängern wieder Kontinuität einkehre. „Wir können“, sagt der Leiter der Domsingknaben geradezu beschwörend, „definitiv nicht warten, bis ein Impfstoff gefunden ist“.