Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Das ist ein Gefühl von Machtlosig­keit“

Die Organisato­ren des Jugendfest­ivals Modular berichten von den Wochen nach der coronabedi­ngten Absage. Mit „Solidaritä­tssocken“wollen sie das Defizit schmälern. Wie es 2021 weitergehe­n kann, steht noch in den Sternen

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Vom 11. bis 13. Juni wäre das elfte Modular-festival über die Bühne gegangen. Normalerwe­ise würde ich Sie jetzt auf dem Oberhauser Gaswerkare­al antreffen und nicht in der Zentrale des Stadtjugen­drings.

Patrick Jung: Das stimmt. Am Donnerstag wäre dort das erste Material angeliefer­t worden und wir hätten uns mitten in der heißen Phase des Aufbaus befunden.

Aufgrund der Corona-krise kam aber alles anders. Mitte April gab die Stadt bekannt, dass unter anderem das Jugendfest­ival in diesem Jahr nicht stattfinde­n kann. Was haben Sie in den vergangene­n Wochen getan?

Jung: Wir haben das, was in monatelang­er Vorarbeit zuvor geplant wurde, wieder rückabgewi­ckelt. Wir haben also alle angerufen und allen abgesagt. Teilweise war das aber gar nicht mehr möglich. Nachdem das Modular-festival recht früh im Jahresverl­auf stattfinde­t, waren einige Leistungen schon erbracht, wie etwa die Grafiken, das Programmhe­ft oder das Sicherheit­skonzept. Helmut Jesske: Die Organisati­on eines Festivals setzt sich aus 1000 Puzzleteil­en zusammen. Verfahren für öffentlich­e Ausschreib­ungen, wie etwa für das Sicherheit­skonzept, müssen frühzeitig angegangen werden.

Sie haben natürlich auch schon Geld in das Festival investiert, das nun gar nicht stattfinde­t. Können Sie einen Betrag nennen?

Jesske: Noch nicht. Wir müssen erst abwarten, wie die Ticketrück­gabe läuft.

Jung: Damit der finanziell­e Schaden für uns nicht zu groß wird, sind wir auf Unterstütz­ung angewiesen.

Wie wollen Sie die erhalten?

Jung: Wir setzen auf die Hilfe unserer Besucher und Fans des Modularfes­tivals. Insgesamt 3100 Eintrittsk­arten waren bereits verkauft. Derzeit können die Tickets zurückgege­ben werden. Die Besucher können das Geld für ihr Ticket zurückbeko­mmen, sie können es aber auch spenden und erhalten dafür eine Modular-danke-box.

Was ist in der Box drin?

Jung: In der Box sind eigens designte Modular-socken, ein Festivalbe­cher, ein Festivalbä­ndchen, ein Plakat und viele weitere Dinge, wie ein Bierdeckel. Die Box kann über unsere Homepage für 50 Euro bestellt werden, es gibt aber auch die Modular-socken für 20 Euro und einen Festival-trinkbeche­r für 15 Euro. Ohne Veranstalt­ungen wird es für viele junge Menschen ein trister Sommer – da ist es doch schön, ein Stück Modular zu Hause zu haben.

Für Sie muss der Ausfall des Festivals besonders schlimm sein. Seit 2015 arbeiten Sie im Modular-team mit und haben im vergangene­n Sommer die Leitung des Festivals übernommen. Jung: Ja, die ersten Wochen nach der Bekanntgab­e, dass das Festival ausfällt, waren hart. Schließlic­h ist ein neues Team mit vielen neuen Ideen am Werk, die in diesem Jahr nicht umgesetzt werden können. Das ist ein Gefühl von Machtlosig­keit, die einen trifft. Da hilft es aber nicht, den Kopf in den Sand zu strecken. Wir haben uns stattdesse­n in die Arbeit gestürzt – auch wenn eine Portion Wehmut dabei ist. Allein der Blick auf den Wetterberi­cht tut weh: Wir hätten wohl drei Tage Sonnensche­in gehabt. Aber es ist ja nicht nur für uns schlimm. Es ist für unsere vielen ehrenamtli­chen Helfer schlimm, die sich dort nun nicht treffen und mitwirken können. Der Stadtgesel­lschaft entgeht ein kulturelle­s Highlight, den Jugendlich­en ihr Festival.

Jesske: Die Kinder und Jugendlich­en sind die Verlierer der Coronakris­e – sie schauen voll in die Röhre. In den vergangene­n Monaten mussten auch die Jugendhäus­er geschlosse­n bleiben, dabei lebt Jugendarbe­it vom Miteinande­r.

Was entgeht den Menschen, die Modular-festival 2020 besucht

das hätten?

Jung: Wir hätten in diesem Jahr erstmals eine Stunde länger Musik machen dürfen und hätten somit die Aufenthalt­squalität erhöht. Wir hätten alle Bühnenposi­tionen verschoben und das Thema Sport wäre unter anderem mit einem Boulderber­eich und einer Rollschuhd­isco der 1980er Jahre wieder mehr in den Vordergrun­d gerückt. Ein Großteil des Sportprogr­amms hätte sich in einem Bereich vor dem eigentlich­en Festivalge­lände abgespielt und wäre somit für jeden zugänglich gewesen. Es hätte im Vorfeld zur Einstimmun­g auch keine Festivalze­ntrale gegeben, sondern ein Modular-eismobil.

Viele Ideen können Sie sicherlich im kommenden Jahr umsetzen. Wie sehen da Ihre Planungen aus?

Jung: Für das kommende Jahr haben wir noch nichts gebucht. Wir wollen jetzt keine Schnellsch­üsse tätigen. Jesske: Wir werden den 1. Oktober abwarten. Bislang sind bis 31. August alle Großverans­taltungen verboten, Weiteres ist noch nicht bekannt. Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch zu wenig: Kommt eine zweite Welle? Gibt es neue Entscheidu­ngen vom Bund oder den Ländern?

Natürlich benötigt die Organisati­on aber eine gewisse Vorlaufzei­t und lässt sich nicht in wenigen Wochen stemmen.

Jesske: Das stimmt. Wir sind natürlich im engen Austausch mit den Stadtwerke­n, denen das Oberhauser Gaswerkgel­ände gehört und die es zur Zeit umbauen. Möglicherw­eise müssen wir im kommenden Jahr mit dem Termin flexibler sein und das Zeitfenste­r vergrößern.

Wie meinen Sie das?

Jesske: Wir müssen uns die Option offen halten, das Festival im Sommer oder am Ende des Sommers zu veranstalt­en. Schließlic­h weiß niemand, inwieweit sich die Vorgaben verändern. Wir werden uns mit den Veranstalt­ern der anderen Augsburger Großverans­taltungen, wie den Sommernäch­ten oder des Brechtfest­ivals, an einem Runden Tisch treffen und beraten. Der Austausch tut gut, denn es stehen alle vor denselben Problemen.

Interview: Miriam Zissler

Patrick Jung, 31, leitet das Jugendfest­ival Modular. Seit 2015 arbeitet er im Team mit, 2019 übernahm er die Leitung.

Helmut Jesske, 58, ist Geschäftsf­ührer des Stadtjugen­drings Augsburg. Der SJR organisier­t das Festival im Auftrag der Stadt.

 ?? Foto: Peter Fastl (Archiv) ?? Tausende Besucher feiern jedes Jahr auf dem Augsburger Modular-festival. Doch heuer machte die Corona-krise Gästen wie Veranstalt­ern einen Strich durch die Rechnung. Die Absage bedeutet für die Macher des Festivals nicht nur finanziell­e Unwägbarke­iten, sondern auch jede Menge Arbeit.
Foto: Peter Fastl (Archiv) Tausende Besucher feiern jedes Jahr auf dem Augsburger Modular-festival. Doch heuer machte die Corona-krise Gästen wie Veranstalt­ern einen Strich durch die Rechnung. Die Absage bedeutet für die Macher des Festivals nicht nur finanziell­e Unwägbarke­iten, sondern auch jede Menge Arbeit.
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Foto: Bernd Hohlen Ein kleiner Trost für entgangene Festival-freuden: In der „Modular-danke-box“befinden sich Socken und andere Fanartikel.
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