Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mann scheitert als Diamantenhändler
Ein 48-Jähriger aus der Region will groß ins Edelstein-geschäft einsteigen. Er holt Rohdiamanten ohne Zertifikat aus Afrika. Wie er das anstellt, was ein „Ex-knacki“damit zu tun hat und warum er auf die Nase fällt
Der Kultfilm, der 1961 in die Kinos kam, war ein Blockbuster, wie man heute sagen würde. „Frühstück bei Tiffany“erzählt die Geschichte des Partygirls Holly, gespielt von Audrey Hepburn, die vor dem New Yorker Edel-juwelier „Tiffany“steht und von Diamanten träumt. Die Klunker, die mit Brillantschliff zu hochkarätigen Schmuckstücken verarbeitet sind, werden als Rohdiamanten weltweit gefördert. Doch eines verraten die Preziosen nicht.
Denn noch immer floriert das Geschäft mit Blutdiamanten, mit denen vor allem in Afrika Bürgerkriege finanziert werden. Um dies zu verhindern, dürfen Rohdiamanten nur mit einem sogenannten „Kimberley“-zertifikat gehandelt werden. Der Import von Schmuggeldiamanten ohne dieses Dokument nach Deutschland ist strafbar. Im Justizalltag sind derartige Prozesse eine Rarität. Vor dem Augsburger Amtsgericht stand jetzt ein 48-Jähriger, dem die Anklage vorwarf, die Rohdiamanten aus Gambia nach Deutschland geschmuggelt zu haben. Wer dagegen verstößt, kann nach dem Außenwirtschaftsgesetz mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft werden.
Der Angeklagte kam knapp um einen Knastaufenthalt herum. Die Weichen für seine Bewährungsstrafe stellte sein Anwalt Peter Monz in einem Verfahrensgespräch mit Staatsanwältin Franziska Deisenhofer und dem Gericht unter Vorsitz von Markus Eberhard. Der Angeklagte packt vor Gericht aus und schildert, wie er als Laie ins Diamantengeschäft einsteigen wollte mit Büro in Gambia, der westafrikanischen Republik mit gerade mal zwei Millionen Einwohnern.
Ein ehemaliger Häftling habe ihn 2017 angesprochen, ob er als Kurier tätig werden könne. Der Angeklagte sagte Ja und flog im September 2017 nach Gambia. Dort traf er sich mit einem Mittelsmann und stieß auf Leute, die Gold und Diamanten anboten. Im Auftrag des „Ex-knackis“kaufte er für 25 000 Euro fünf kleine Rohdiamanten mit zusammen 13 Karat Gewicht (ein Karat sind 0,2 Gramm). Mit den Steinen in der Hosentasche flog er zurück nach Deutschland und übergab sie seinem Auftraggeber, der sie zu einem Schleifer bringen wollte.
„Für meine Kurierdienste bekam ich 1000 Euro“, sagt der Angeklagte. Weil der erste Schmuggelflug einfach über die Bühne ging, kam der 48-Jährige auf die Idee, selbst ins Geschäft einzusteigen. Aus einer Unfallversicherung hatte er 120000 erhalten. Einen Teil wollte er gewinnbringend anlegen. Er flog erneut nach Gambia, eröffnete ein Bankkonto, ließ sich eine Steuernummer geben und traf sich wieder mit seinem Mittelsmann. Nun sollten sieben Rohdiamanten, elf Karat, für 6500 Euro den Besitzer wechseln. „Ich wollte das aber nicht ohne Zertifikat machen“, so der Angeklagte. Die afrikanischen Verkäufer der Diamanten wussten Abhilfe. „Ich zahlte 500 Euro für das Zertifikat“, erzählt der 48-Jährige. Ein gewisser Mustafa habe gesagt: „Damit kommst du ohne Probleme nach Deutschland.“Allerdings stellte sich bald heraus, dass der Angeklagte böse geleimt worden war. Das Zertifikat erwies sich als gefälscht.
Wiederum in der Hosentasche schmuggelte der 48-Jährige die Ware nach Deutschland. Noch ein drittes Mal, im Juni 2018, kam es zu einem Diamanten-deal in Gambia. Diesmal legte der Angeklagte für einen einzigen Stein mit knapp fünf Karat Gewicht 6000 Euro auf den Tisch. Der Rohdiamant war zuvor auf Handyfotos als ein „echt super Stein“angepriesen worden. „Und ich Depp bin darauf reingefallen“, schüttelt der Angeklagte den Kopf. Denn als er den „Super-stein“und die anderen sieben Rohdiamanten bei einem Inder in der Diamantenbörse in Idar-oberstein prüfen ließ, entpuppte sich die Kollektion als minderwertige Ware. „Ich bekam dafür 2500 Euro, mehr nicht“, sagt der Angeklagte bitter. „Insgesamt hab ich nur Verlust gemacht“, ist sein Fazit am Ende eines Ausflugs in das Reich der Klunker.
Ans Tageslicht kamen die verbotenen Schmuggelgeschäfte durch eine Anzeige seines mit ihm zerstrittenen Bruders bei der Polizei. Daraufhin ermittelte das Zollfahndungsamt München.
Der Begriff „Blutdiamanten“fällt in der Urteilsbegründung. Markus Eberhard, der Vorsitzende Richter des Augsburger Schöffengerichts, weist darauf hin, dass auch heute noch Kindersoldaten und Bürgerkriege in Afrika durch illegal geschmuggelte Rohdiamanten finanziert werden. Und er erinnert daran, dass allein der 14 Jahre dauernde blutige Konflikt in Liberia rund 250 000 Tote gefordert hat. Deshalb drohten auch harte Strafen für den Handel mit Diamanten ohne Zertifikat. Dass der Angeklagte mit einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten nach Hause gehen durfte, hat meheuro rere Gründe. Aus welcher Mine die Steine mit einem Gewicht von 29 Karat stammen, ist nicht zu klären. Gambia selbst verfügt über keine Diamantenproduktion. Also müssen die Rohdiamanten aus einem anderen Land nach Gambia gebracht worden sein. Sein amateurhaftes Vorgehen (Richter Eberhard: „Das war nicht das eines Superkriminellen“) fand als mildernder Umstand Eingang in den Schuldspruch. Zudem hatte der 48-Jährige noch einige Hinweise auf Hintermänner gegeben.
Das finanzielle Desaster wird den Angeklagten noch einige Zeit begleiten. Denn das Gericht machte ihm erhebliche Bewährungsauflagen. So muss er einmal 3500 Euro an die Staatskasse zahlen. In einer zweiten Auflage in Höhe von 4800 Euro wird das Felsensteinhaus in Königsbrunn bei Augsburg bedacht. Ein Bewährungshelfer wird dem 48-Jährigen ein Jahr lang zur Seite gestellt. Sowohl das Gericht als auch Staatsanwältin Franziska Deisenhofer und Verteidiger Peter Monz hegten die Hoffnung, dass der gescheiterte Edelstein-händler sein Leben wieder in den Griff bekommt. Das Urteil, das am Dienstag einer Absprache vom ersten Prozesstag folgte, kann frühestens in einer Woche rechtskräftig werden.
Das finanzielle Desaster wird den Mann weiter begleiten