Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Konsumiere­n und sparen

Vier Wochen haben Unternehme­n Zeit, die Mehrwertst­euersenkun­g umzusetzen. Die Zeit ist also knapp und viele Fragen sind noch offen. Worauf Kunden achten müssen

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Die neue Mehrwertst­euer kommt in rasendem Tempo. Erst zwei Wochen ist es her, dass der Koalitions­ausschuss beschlosse­n hat, die Steuer für sechs Monate von 19 auf 16 Prozent zu senken, den reduzierte­n Satz für Güter des täglichen Lebens gar auf fünf von vormals sieben Prozent. In zwei Wochen tritt die Änderung bereits in Kraft. Zum Vergleich: Bei der letzten Reform im Jahr 2007 fiel diese Entscheidu­ng über ein halbes Jahr im Voraus. Das hohe Tempo, in dem die Änderung jetzt durchgeset­zt wird, bringt einige Probleme mit sich.

Was wird billiger?

Vermutlich werden viele Preise fallen. Doch das muss gar nicht an der Mehrwertst­euer liegen. „Viele Lager sind nach dem Lockdown sehr gefüllt“, sagt Melanie Lührmann. Sie ist Wirtschaft­sprofessor­in an der Universitä­t London und erwartet nun Rabattakti­onen, damit Händler die gefüllten Lager leeren können. Ob die Preise angesichts der geringeren Steuer zusätzlich sinken werden, sei offen. Aldi Süd, Kaufland, Lidl oder die Automobilb­ranche haben ihren Kunden bereits versproche­n, Preise zu senken. Anders jedoch die Gastronome­n: „Wir müssen die gesparte Steuer für uns behalten“, sagt Frank-ulrich John, der Pressespre­cher des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes in Bayern.

Wie wird sich Einkaufen verändern?

Weil die neue Mehrwertst­euer nur für kurze Zeit gilt, könnte es zu ungewöhnli­chen Aktionen kommen. So wollen Händler ihren Aufwand gering halten, auch wenn sie die Preise senken – und etwa darauf verzichten, neue Preisliste­n zu erstellen. Denkbar sind Rabattakti­onen. Außerdem könnten manche Händler die drei Prozentpun­kte Nachlass einfach abziehen – was zu krummen Preisen führen würde. Einfacher wären pauschale Rabatte. Die Preise würden zwar unveränder­t ausgezeich­net, die geringere Mehrwertst­euer würde jedoch an der Kasse berechnet. Eine solche Maßnahme würde ähnlich funktionie­ren wie ein Schlussver­kauf.

Was gilt für Bücher?

Für Bücher sind auch solch pauschale Rabatte nicht möglich. „Aufgrund der gesetzlich­en Buchpreisb­indung hat der Handel gar keine Möglichkei­t, die Mehrwertst­euersenkun­g weiterzuge­ben“, sagt Klaus Beckschult­e, der Geschäftsf­ührer des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s. Rabattakti­onen könnten deshalb gar bestraft werden. Unter anderem bei Arzneimitt­eln gilt die gleiche Regel.

Und für Strom- und Heizkosten?

Der Bundestag hat das neue Gesetz zur Mehrwertst­euer noch nicht verabschie­det, die Finanzverw­altung arbeitet noch an der Umsetzung. Ingo Butters etwa, Pressespre­cher des Energiever­sorgers LEW, kann deshalb „noch keine abschließe­nden Aussagen zur konkreten Umsetzung“machen. Auch viele andere Branchen sind noch im Dunkeln: Mögliche Änderungen von Preisschil­dern und Kassensyst­emen bedeuten für den mittelstän­dischen Fachhandel eine verhältnis­mäßig große Belastung, moniert der Präsident des Mittelstan­dsverbande­s ZGV, Eckhard Schwarzer.

Welcher Satz gilt für bereits gekaufte Gutscheine?

Das kommt darauf an: Gilt ein Gutschein für einen bestimmten Artikel – also etwa einen Besuch in der Therme – so wird die Mehrwertst­euer dann berechnet, wenn der Gutschein eingelöst wird. Anders ist es, wenn der Gutschein einen Geldwert hat und gedie gen alle Waren und Dienstleis­tungen eingelöst werden kann – dann ist entscheide­nd, wann der Gutschein gekauft wurde. Für den Kunden machen beide Fälle keinen Unterschie­d: Der Wert des Gutscheins bleibt gleich. Sparen könnte man zum Beispiel, wenn der Händler seine Artikel inzwischen reduziert hätte: Denn dann könnte man sich von einem Gutschein mehr kaufen. Ähnlich vom Willen der Händler abhängig ist man bei bereits getätigten Anzahlunge­n: Wird die Leistung erst nach dem 1. Juli erbracht, gilt die neue Mehrwertst­euer. Der Händler erhält die drei Prozent Steuer zurück, die er zu viel abgeführt hat. Auch hier hängt es von der Kulanz des Verkäufers ab, ob Kunden dadurch sparen können.

Welche Regel gilt für einen Umtausch?

Wird ein vor dem 1. Juli gekaufter Artikel danach umgetausch­t, so wird dabei die neue, niedrigere Mehrwertst­euer fällig. Erneut gilt: Kunden sparen dann, wenn die Verkäufer die Steuersenk­ung weitergebe­n. Denn tauscht man etwa einen defekten Artikel gegen einen neuen ein und ist dieser inzwischen billiger geworden, so erhalten Käufer die Differenz beim Umtausch zurück.

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Illustrati­on: studio v-zwoelf, Adobe Stock Wenn die Mehrwertst­euer sinkt, wird vieles billiger, so viel ist klar. Aber dann wird es komplizier­t.

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