Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Konsumieren und sparen
Vier Wochen haben Unternehmen Zeit, die Mehrwertsteuersenkung umzusetzen. Die Zeit ist also knapp und viele Fragen sind noch offen. Worauf Kunden achten müssen
Augsburg Die neue Mehrwertsteuer kommt in rasendem Tempo. Erst zwei Wochen ist es her, dass der Koalitionsausschuss beschlossen hat, die Steuer für sechs Monate von 19 auf 16 Prozent zu senken, den reduzierten Satz für Güter des täglichen Lebens gar auf fünf von vormals sieben Prozent. In zwei Wochen tritt die Änderung bereits in Kraft. Zum Vergleich: Bei der letzten Reform im Jahr 2007 fiel diese Entscheidung über ein halbes Jahr im Voraus. Das hohe Tempo, in dem die Änderung jetzt durchgesetzt wird, bringt einige Probleme mit sich.
Was wird billiger?
Vermutlich werden viele Preise fallen. Doch das muss gar nicht an der Mehrwertsteuer liegen. „Viele Lager sind nach dem Lockdown sehr gefüllt“, sagt Melanie Lührmann. Sie ist Wirtschaftsprofessorin an der Universität London und erwartet nun Rabattaktionen, damit Händler die gefüllten Lager leeren können. Ob die Preise angesichts der geringeren Steuer zusätzlich sinken werden, sei offen. Aldi Süd, Kaufland, Lidl oder die Automobilbranche haben ihren Kunden bereits versprochen, Preise zu senken. Anders jedoch die Gastronomen: „Wir müssen die gesparte Steuer für uns behalten“, sagt Frank-ulrich John, der Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Bayern.
Wie wird sich Einkaufen verändern?
Weil die neue Mehrwertsteuer nur für kurze Zeit gilt, könnte es zu ungewöhnlichen Aktionen kommen. So wollen Händler ihren Aufwand gering halten, auch wenn sie die Preise senken – und etwa darauf verzichten, neue Preislisten zu erstellen. Denkbar sind Rabattaktionen. Außerdem könnten manche Händler die drei Prozentpunkte Nachlass einfach abziehen – was zu krummen Preisen führen würde. Einfacher wären pauschale Rabatte. Die Preise würden zwar unverändert ausgezeichnet, die geringere Mehrwertsteuer würde jedoch an der Kasse berechnet. Eine solche Maßnahme würde ähnlich funktionieren wie ein Schlussverkauf.
Was gilt für Bücher?
Für Bücher sind auch solch pauschale Rabatte nicht möglich. „Aufgrund der gesetzlichen Buchpreisbindung hat der Handel gar keine Möglichkeit, die Mehrwertsteuersenkung weiterzugeben“, sagt Klaus Beckschulte, der Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Rabattaktionen könnten deshalb gar bestraft werden. Unter anderem bei Arzneimitteln gilt die gleiche Regel.
Und für Strom- und Heizkosten?
Der Bundestag hat das neue Gesetz zur Mehrwertsteuer noch nicht verabschiedet, die Finanzverwaltung arbeitet noch an der Umsetzung. Ingo Butters etwa, Pressesprecher des Energieversorgers LEW, kann deshalb „noch keine abschließenden Aussagen zur konkreten Umsetzung“machen. Auch viele andere Branchen sind noch im Dunkeln: Mögliche Änderungen von Preisschildern und Kassensystemen bedeuten für den mittelständischen Fachhandel eine verhältnismäßig große Belastung, moniert der Präsident des Mittelstandsverbandes ZGV, Eckhard Schwarzer.
Welcher Satz gilt für bereits gekaufte Gutscheine?
Das kommt darauf an: Gilt ein Gutschein für einen bestimmten Artikel – also etwa einen Besuch in der Therme – so wird die Mehrwertsteuer dann berechnet, wenn der Gutschein eingelöst wird. Anders ist es, wenn der Gutschein einen Geldwert hat und gedie gen alle Waren und Dienstleistungen eingelöst werden kann – dann ist entscheidend, wann der Gutschein gekauft wurde. Für den Kunden machen beide Fälle keinen Unterschied: Der Wert des Gutscheins bleibt gleich. Sparen könnte man zum Beispiel, wenn der Händler seine Artikel inzwischen reduziert hätte: Denn dann könnte man sich von einem Gutschein mehr kaufen. Ähnlich vom Willen der Händler abhängig ist man bei bereits getätigten Anzahlungen: Wird die Leistung erst nach dem 1. Juli erbracht, gilt die neue Mehrwertsteuer. Der Händler erhält die drei Prozent Steuer zurück, die er zu viel abgeführt hat. Auch hier hängt es von der Kulanz des Verkäufers ab, ob Kunden dadurch sparen können.
Welche Regel gilt für einen Umtausch?
Wird ein vor dem 1. Juli gekaufter Artikel danach umgetauscht, so wird dabei die neue, niedrigere Mehrwertsteuer fällig. Erneut gilt: Kunden sparen dann, wenn die Verkäufer die Steuersenkung weitergeben. Denn tauscht man etwa einen defekten Artikel gegen einen neuen ein und ist dieser inzwischen billiger geworden, so erhalten Käufer die Differenz beim Umtausch zurück.