Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Sorge vor der zweiten Welle

Die bayerische Wirtschaft hat in der Corona-krise einen historisch­en Einbruch erlitten. Dennoch hoffen Experten auf eine Aufholjagd in absehbarer Zeit

- VON BRIGITTE MELLERT

München/augsburg Trotz der schwierige­n Lage, in welche die bayerische Wirtschaft durch die Corona-krise geraten ist, gehen Experten davon aus, dass es in absehbarer Zeit wieder aufwärtsge­hen könnte. Zu dieser Einschätzu­ng kommt Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigun­g der bayerische­n Wirtschaft (vbw) in einer Pressekonf­erenz am Dienstag. Dennoch rechnet er für dieses Jahr mit einem Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s um acht Prozent und der tiefsten Rezession Deutschlan­ds in der Nachkriegs­geschichte. Mit einer Rückkehr auf das Vorkrisenn­iveau rechnet er daher bestenfall­s ab 2022.

Lange überschlug­en sich negative Nachrichte­n in den vergangene­n Monaten. Jetzt wagt vbw-präsident Hatz eine vorsichtig optimistis­che Prognose. Er rechnet damit, dass die Wirtschaft in der Corona-krise den Tiefpunkt bereits überstande­n hat. Und: Er geht nicht davon aus, dass es zu einer zweiten Infektions­welle kommen wird. Sein Optimismus fußt auf den aktuell niedrigen Infektions­zahlen und dem Verhalten der Bevölkerun­g.

Aber auch der ifo-geschäftsk­limaindex zeige im Mai für Bayern erste Anzeichen für einen Aufschwung. Dieser habe sich von –48

Punkten auf –36 verbessert. Die monatlich vom Münchener ifo-institut für Wirtschaft­sforschung veröffentl­ichten Zahlen gelten als Indikator für die konjunktur­elle Entwicklun­g in Deutschlan­d. Ähnlich positiv stimmt die vbw der Blick auf den Arbeitsmar­kt. Stieg die Zahl der Arbeitslos­en in den Monaten April und Mai in Bayern noch um 92000 auf insgesamt 290 580, stabilisie­rten sich diese Zahlen im Mai wieder. Auch wurden rund 2000 freie Stellen mehr gemeldet als noch im April. Dennoch sei die Lage nach Ansicht der vbw durch das „historisch hohe Ausmaß“an Kurzarbeit in Höhe von zwei Millionen Beschäftig­ten noch immer kritisch. Die Zahlen übersteige­n sogar die Finanzkris­e 2008/2009. Damals waren bundesweit 1,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Allerdings, so Hatz, zeige das auch die Bemühungen der Unternehme­n, Stellen zu sichern. Von der zweiten Jahreshälf­te erhofft sich die vbw deshalb einen Aufholproz­ess – wenn auch nur langsam.

Die große Aufholjagd erwarten sich die Wirtschaft­sexperten aber erst im kommenden Jahr. Bayern sei vom Einbruch des Bruttoinla­ndsprodukt­s sogar noch stärker davon betroffen als der bundesweit­e Durchschni­tt, sagt Hatz und verweist auf die für den Freistaat wichtigen Branchen Automobilb­au sowie Hotelund Tourismus, die besonders unter der Corona-krise gelitten haben. Hinzu komme, dass wichtige Exportmärk­te mit den USA, China, Österreich, Italien und Frankreich momentan noch „massiv“eingeschrä­nkt seien.

Dabei hatte sich die Konjunktur schon vor Ausbruch der Coronakris­e abgeschwäc­ht. Hatz: „In Bayern stieg das Bruttoinla­ndsprodukt im vergangene­n Jahr nur um 0,5 Prozent.“Und auch die Industrie befand sich schon zuvor in einer Rezession,

die Produktion sank um 3,8 Prozent und die bayerische­n Exporte lagen um 0,5 Prozent unter dem Vorjahresn­iveau. Verstärkt wurde dieser Rückgang der Wirtschaft durch die Corona-beschränku­ngen und die damit verbundene­n Schließung­en ganzer Wirtschaft­sbereiche, eingebroch­ener Nachfrage und gestörter Lieferkett­en. Dazu kamen noch Mitarbeite­r, die wegen fehlender Kinderbetr­euung ausfielen. Durch noch immer geltende Einschränk­ungen und Hygienevor­schriften für Unternehme­n, unterbroch­ene Lieferkett­en und eine noch immer sehr schwache Nachfrage sei dieses Jahr nur mit einem langsamen Aufschwung zu rechnen, so Hatz. Hinzu kämen enorme Unsicherhe­iten für die Betriebe. Positiv wirke sich aus, dass Branchen wie das Baugewerbe, die Pharmaindu­strie oder der Lebensmitt­el- und Onlinehand­el in der Corona-krise gewachsen sind. Auch Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich angesichts vieler Unwägbarke­iten in einer Sitzung der Unionsfrak­tion im Bundestag vorsichtig. „Da liegt noch ein Riesenberg an Arbeit vor uns.“Noch wisse niemand, wie sich Konsumverh­alten und Pandemie entwickelt­en.

Als entscheide­nder Antriebsmo­tor für den Aufschwung sehen die vbw-experten das kürzlich beschlosse­ne Konjunktur­paket der Bundesregi­erung. Die Mehrwertst­euersenkun­g setze Kaufanreiz­e für Kunden – besonders wichtig für höherpreis­ige Premiumseg­mente, wovon besonders bayerische Hersteller profitiert­en. Aber auch andere Aspekte des Konjunktur­pakets wie Überbrücku­ngshilfen für kleinere und mittlere Unternehme­n wertet die vbw positiv. Entscheide­nd sei aber, die Wirtschaft nicht weiter zu schwächen, sagt Hatz: „Wir brauchen ein Belastungs­moratorium.“Zeitgleich müssten durch radikalen Bürokratie­abbau und ein flexiblere­s Arbeitsrec­ht bestehende Belastunge­n verringert werden.

Mit einer schnellen Erholung ist nicht zu rechnen

 ?? Foto: Jairo Díaz, Adobe Stock ?? Bayerische Finanzexpe­rten gehen davon aus, dass der Tiefpunkt in der Corona-krise bereits überstande­n ist.
Foto: Jairo Díaz, Adobe Stock Bayerische Finanzexpe­rten gehen davon aus, dass der Tiefpunkt in der Corona-krise bereits überstande­n ist.

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