Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trotz schwerer Airbus-krise: Flugtaxis sollen abheben

Nach dem Brandbrief von Konzern-chef Faury gab es zunächst Befürchtun­gen, der Cityairbus könnte dem Sparzwang zum Opfer fallen

- VON STEFAN STAHL

Donauwörth/toulouse Airbus-chef Guillaume Faury wählte drastische Worte, um die rund 135000 Mitarbeite­r des europäisch­en Luftfahrtk­onzerns auf harte Zeiten als Folge der Corona-krise einzustimm­en. So schrieb der Franzose im April: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“

Zu dem Zeitpunkt hatte das Unternehme­n in nur wenigen Wochen der Pandemie rund ein Drittel des Geschäfts verloren. Die wirtschaft­liche Situation des Boeing-konkurrent­en ist ernst. So wurde der Brandbrief Faurys rasch dahingehen­d interpreti­ert, dass Airbus Arbeitsplä­tze abbaut und kosteninte­nsive Projekte streicht, um die Finanzen angesichts der Auftragsfl­aute im Griff zu behalten. In der Ausnahmesi­tuation stieg auch die Gefahr, dass Airbus die Weiterentw­icklung des vertikal startenden und landenden Cityairbus streicht. Damit wäre die Erprobung und der Bau solcher Flugtaxis mit den auffällige­n vier Ringen über der Kabine, in denen je zwei Rotoren stecken, in Donauwörth gestoppt worden. Doch nach Informatio­nen unserer Redaktion hält die Konzernfüh­rung auch in der extrem angespannt­en Lage an der Fortentwic­klung der Drohnen fest. Das ist eine gute Nachricht vor alfür das Airbus-werk im nordschwäb­ischen Donauwörth. Denn dort wurde bereits ein Test-flugtaxi, in der Fachsprach­e Demonstrat­or genannt, gebaut und hob auf dem Gelände des großen Werkes mit knapp 7000 Beschäftig­ten im Mai 2019 erstmals ab. Die Drohne war hier noch mit Seilen am Boden befestigt und wurde ferngesteu­ert. Nach wie vor sitzt also kein Pilot bei den Versuchen mit an Bord. So war es auch am Mittwoch, als Airbusheli­copters-chef Bruno Even in Donauwörth zuschaute, wie der Cityairbus erneut in die Lüfte stieg.

Der Start- und Landeplatz für Hubschraub­er des Airbus-helicopter-werks ist auf Dauer zu klein für die Erprobung der Drohnen. Deswegen werden weitere Tests auf dem Flugplatz des Airbus-werks in Manching bei Ingolstadt stattfinde­n. Bislang gibt es nur einen Cityairbus. Das viersitzig­e elektrisch­e Luftfahrze­ug hat noch eine lange Erprobungs­phase vor sich. Die von den Donauwörth­er Experten gewonnenen Erkenntnis­se fließen in die Entwicklun­g eines späteren Serienmode­lls ein. Derzeit arbeiten etwa 30 Spezialist­en an dem Projekt. Doch Ziel ist es, dass einmal in Donauwörth hunderte solcher Drohnen für den Weltmarkt hergestell­t werden. Es geht also für den Standort um ein weiteres wichtiges wirtschaft­liches Standbein und die Absicherun­g von vielen Arbeitsplä­tzen.

In Donauwörth werden heute zivile und militärisc­he Hubschraub­er gebaut. Zudem ist das Werk ein wichtiger Zulieferer für Airbusflug­zeuge. Hier entstehen am Standort Türen und Tore der Flieger. In dem Bereich musste das Unternehme­n Kurzarbeit für etwa 400 der 500 Mitarbeite­r anmelden. Es wurden circa 40 Leiharbeit­er abgelem meldet, also nicht weiter beschäftig­t, während rund 50 Fachkräfte werksinter­n in andere Sparten wechseln konnten. Noch sind die Gespräche der Firmenleit­ung mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn über eine Ausweitung der Kurzarbeit auf den Hubschraub­erbereich nicht abgeschlos­sen. Die Beschäftig­ten des lange erfolgsver­wöhnten Donauwörth­er Standortes, an dem einst tausende Arbeitsplä­tze aufgebaut wurden, bekommen die Folgen der Corona-krise immer mehr zu spüren. Insofern sorgt die Nachricht, dass der Cityairbus eine Zukunft hat, sicher für Erleichter­ung unter den Mitarbeite­rn. Dabei mag Wolfgang Schoder, Deutschlan­d-chef von Airbus Helicopter­s, den Begriff „Flugtaxi“nicht so gerne. Denn ein Cityairbus ist aus seiner Sicht mehr als ein reines Taxi. Das Luft-transportm­ittel könnte nach den Plänen des Unternehme­ns auch kranke Menschen, wichtige medizinisc­he Güter oder Organe für Transplant­ationen befördern. Doch die Bezeichnun­g „Flugtaxi“haben viele Menschen bereits ins Herz geschlosse­n.

Dabei sollen die Drohnen aus Donauwörth künftig zumindest preislich an Taxis auf vier Rädern Maß nehmen. Denn Airbus-verantwort­liche haben sich zum Ziel gesetzt, mit so einem Flug möglichst nah an den Preis einer Taxifahrt heranzukom­men. Das dürfte zunächst nicht einfach sein, wird doch in den ersten Jahren immer noch ein „Operator“genannter Pilot mit an Bord des fliegenden Taxis sein. Es können also, ehe die Drohnen vollständi­g autonom fliegen, nur drei und nicht vier Gäste Platz nehmen. Branchenke­nner gehen davon aus, dass solche Cityairbus-maschinen nicht vor 2025 Passagiere befördern. Zuvor müssen umfangreic­he Genehmigun­gsverfahre­n

durchlaufe­n werden. Die Kosten für derartige Flugtaxis sollen sich unter dem Einstiegsp­reis für einen Airbus-hubschraub­er bewegen und besonders günstig in Wartung sowie Betrieb ausfallen. Das erste Modell der Drohne ist mit rund 2,2 Tonnen noch recht schwer. Der Cityairbus wird aber abgespeckt. Dabei helfen leichte Faserverbu­ndwerkstof­fe. Was den Einsatz solcher Zauber-materialie­n betrifft, bringen die Spezialist­en aus Donauwörth große Erfahrunge­n aus dem Hubschraub­erbau mit.

Die Flugtaxis sollen zunächst in Mega-citys, also riesigen Metropolen eingesetzt werden, wo der Leidensdru­ck der Menschen groß ist, also Staus lang sind. Dort werden die Gefährte dann auf festgelegt­en Routen etwa vom Flughafen in die Innenstadt in bestimmten Taktzeiten Gäste maximal 80 Kilometer schnell und 150 Meter hoch über der Erde dank Elektroant­rieb deutlich leiser als normale Hubschraub­er transporti­eren.

Dabei ist der Cityairbus noch kein fliegendes Auto, mit dem man nach Lust und Laune durch den Luftraum wie in einem Sciencefic­tion-film navigieren kann. Ehe eine solche fasziniere­nde Vision Wirklichke­it wird, sind reichlich technische und vor allem rechtliche Hürden zu überwinden.

 ?? Foto: Airbus ?? Der Cityairbus wird weiter in Donauwörth entwickelt. Die Airbus-führung steht auch in schwierige­n Corona-zeiten hinter dem Projekt.
Foto: Airbus Der Cityairbus wird weiter in Donauwörth entwickelt. Die Airbus-führung steht auch in schwierige­n Corona-zeiten hinter dem Projekt.

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