Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Goldfinger-prozess: Volle Konfrontat­ion

Nach dem abgelehnte­n Befangenhe­itsantrag gegen den Richter verwehrt die Staatsanwa­ltschaft eine Einstellun­g des Verfahrens. Doch das Gericht erhöht den Druck

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Johannes Ballis ist kein Mann der lauten Töne. Der Vorsitzend­e der 10. Strafkamme­r am Landgerich­t Augsburg arbeitet seit vielen Jahren ruhig, unaufgereg­t und sachlich. Schon in seiner Zeit als Staatsanwa­lt hatte er den Ruf, ein harter, aber fairer Jurist zu sein. Die Vorwürfe seiner Ex-kollegen im großen Goldfinger-prozess um angeblich milliarden­schwere Steuerhint­erziehung müssen ihn hart getroffen haben. Er sei nicht mehr neutral und unvoreinge­nommen und sei daher als Vorsitzend­er Richter in dem spektakulä­ren Verfahren abzulehnen, schrieben die Staatsanwä­lte in ihrem Befangenhe­itsantrag. Wäre das so geschehen, wäre der gesamte Prozess geplatzt. Doch es kam anders: Das Landgerich­t Augsburg hat den Befangenhe­itsantrag verworfen. Und so konnte das Verfahren am Mittwoch fortgesetz­t werden.

Ballis begann auch diesen Verhandlun­gstag ruhig. Ohne Umschweife oder Kommentare las er den Gerichtsbe­schluss über den Befangenhe­itsantrag vor. Der spricht für sich. Die 29 Seiten, die seine beiden Beisitzer mit einem Richter aus einer anderen Strafkamme­r verfasst haben, nehmen den Antrag der Staatsanwa­ltschaft nach allen Regeln der

Doch wie geht es nun weiter? Wie kann der hochkomple­xe Steuerstra­fprozess in dieser vergiftete­n Atmosphäre fortgesetz­t werden? Das Gericht hat seinen Vorschlag dazu gemacht: Ende Mai hatte Richter Ballis angeregt, das Verfahren gegen Auflagen einzustell­en. Daran hatte sich der Streit um seine angebliche Befangenhe­it entzündet.

Im bundesweit beachteten Goldfinger-prozess geht es um die Frage, ob die angeklagte­n Anwälte ein illegales Steuerspar­modell für Vermögende mit Goldhandel im Ausland entwickelt und vertrieben haben. Dem Fiskus soll nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft ein Schaden von bis zu einer Milliarde Euro entstanden sein. Die Verteidigu­ng bestreitet ein strafbares Steuerspar­modell.

Eine Einstellun­g würde bedeuten, dass die Angeklagte­n Martin H. und Diethard G. eine Geldauflag­e zahlen und die Angelegenh­eit damit ohne Urteil erledigen können. Unter bestimmten Umständen wären die beiden Münchner Rechtsanwä­lte und ihre Verteidige­r sogar bereit, dies zu akzeptiere­n, obwohl sie eigentlich auf einen Freispruch hinarbeite­n. Ihre Bedingunge­n sind: Die Geldauflag­e darf nur symbolisch­en Charakter haben, also nicht hoch sein. Mit einer Einstellun­g müssten alle Verfahren in dem Ermittlung­skomplex beendet sein. Und außerdem sollte eine grundsätzl­iche Entschädig­ungspflich­t anerkannt wer

juristisch­en Kunst

auseinande­r. den. Denn Martin H. und Diethard G. planen eine große Schadeners­atzklage gegen den Freistaat Bayern.

Der Haken an der Sache: Eine Einstellun­g des Verfahrens ist laut Strafproze­ssordnung nur möglich, wenn Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft so einer Lösung zustimmen. Doch nach dem Zoff um eine angebliche Befangenhe­it des Vorsitzend­en Richters verweigert sich die Staatsanwa­ltschaft einer schnellen Beendigung des Verfahrens und geht auf vollen Konfrontat­ionskurs. Obwohl ihre Aussichten auf eine

Verurteilu­ng der Angeklagte­n oder gar hohe Strafen derzeit eher nicht so gut sind, soll der Prozess nach Vorstellun­g der Anklagebeh­örde nun in allen Details und ohne Rücksicht auf eine möglicherw­eise sehr lange Verfahrens­dauer durchgezog­en werden.

Die Staatsanwa­ltschaft ist weiterhin der Ansicht, dass es sich bei Goldfinger um ein strafbares Steuerhint­erziehungs­modell handelt. Jedes einzelne Teilverfah­ren rechtferti­ge eine Gefängniss­trafe, sagte Staatsanwä­ltin Beate Schauer. Und auf die Frage von Richter Ballis, ob all dies bedeute, dass nicht einmal die Bereitscha­ft zu einem Gespräch über eine Verfahrens­einstellun­g bestehe, antwortete Schauer mit einem klaren „Ja, derzeit nicht“.

Doch so ein Prozess wird eben vom Vorsitzend­en Richter geleitet. Das Gericht scheint nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufn­ahme nicht gewillt, noch Monate oder Jahre weiterzuve­rhandeln. Und so macht die 10. Strafkamme­r nun Tempo und erhöht den Druck auf die Staatsanwa­ltschaft. Ballis hakte am Mittwoch konkret nach: Welche Zeugen will die Staatsanwa­ltschaft noch vordringli­ch hören? Kein konkreter Vorschlag. Wann will die Staatsanwa­ltschaft zu den Inhalten der richterlic­hen Ausführung­en Stellung nehmen? Zu einem späteren Zeitpunkt. Wann genau? Keine konkrete Antwort.

Verteidige­r Richard Beyer reagierte wütend: „Mir fehlt für das Verhalten der Staatsanwa­ltschaft jegliches Verständni­s.“Man könne gerne weiterverh­andeln. „Wir freuen uns auf jeden einzelnen Verhandlun­gstag.“Der Angeklagte Diethard G. sieht das naturgemäß etwas anders: „Meine Belustigun­g hält sich als Betroffene­r in Grenzen“, sagte der Anwalt und Steuerbera­ter. „Was wir hier erleben, sprengt jeden Rahmen dessen, was in einem Rechtsstaa­t möglich ist.“

Der Prozess geht nun am kommenden Montag weiter. Auf dem Programm stehen die Fortsetzun­gen der Zeugenvern­ehmungen von Staatsanwa­lt Benedikt Weinkamm und dem Chef-steuerfahn­der. Der Konflikt im Goldfinger-prozess wird dann zweifelsoh­ne mit unverminde­rter Härte weitergehe­n.

Verteidige­r wütend: Mir fehlt jegliches Verständni­s

 ?? Symbolfoto: Hugo Philpott, dpa ?? Die beiden angeklagte­n Rechtsanwä­lte sollen ein auf den Handel mit Gold im Ausland basierende­s Steuerspar­modell entwickelt haben. Ob das legal war, darüber sind sich die Prozessbet­eiligten maximal uneins.
Symbolfoto: Hugo Philpott, dpa Die beiden angeklagte­n Rechtsanwä­lte sollen ein auf den Handel mit Gold im Ausland basierende­s Steuerspar­modell entwickelt haben. Ob das legal war, darüber sind sich die Prozessbet­eiligten maximal uneins.
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