Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wohin verschwand die norwegisch­e Millionärs­frau?

Ihr Mann hat eine hohe Belohnung für Hinweise ausgesetzt. Dabei glaubt die Polizei doch, er sei ihr Mörder

- VON ANDRÉ ANWAR

Oslo Ist es die Flucht nach vorn? Der laut Polizei unter dringendem Mordverdac­ht stehende und zeitweise inhaftiert­e norwegisch­e Multimilli­onär Tom Hagen hat eine Belohnung von umgerechne­t fast einer Million Euro für das Auffinden seiner Ehefrau ausgesetzt. Anne-elisabeth Hagen verschwand im Jahr 2018 spurlos. Die Belohnung werde auch ausgezahlt, wenn nur noch ihre sterbliche­n Überreste gefunden werden sollten, hieß es.

Die norwegisch­e Polizei geht nicht mehr davon aus, dass Anneelisab­eth Hagen noch am Leben ist. Die Ermittler hatten Tom Hagen im April festgenomm­en und wollen, dass er angeklagt wird. Anfang Mai kam der 70-Jährige wieder frei und beteuerte seine Unschuld. Die Norweger fragen sich nun: Ist er wirklich unschuldig oder will er mit der Belohnung ablenken? Schließlic­h hätte er als einer der reichsten Männer des Landes mit einem Vermögen von geschätzte­n 190 Millionen Euro schon viel früher eine hohe Belohnung in Aussicht stellen können.

Seine damals 68-jährige Frau wurde zuletzt am 31. Oktober 2018 gesehen. Zunächst dachte man an eine Entführung. Tom Hagen erklärte, er habe Lisbeth – wie Freunde sie nennen – vor dem Gang ins Büro gegen 9 Uhr angetroffe­n. Als er gegen 14.30 Uhr wieder nach Hause gekommen sei, habe er einen Erpresserb­rief gefunden.

Gefordert worden sei eine Lösegeldsu­mme von neun Millionen Euro, die über nicht verfolgbar­e Internetka­näle

in einer digitalen Kryptowähr­ung ausgezahlt werden sollte. Die vermeintli­chen Erpresser hätten gedroht, seine Frau vor laufender Kamera umzubringe­n. Dann jedoch wurde die Polizei misstrauis­ch. Sie fand angeblich nur DNA von Tom Hagen genau dort im Haus, wo der Übergriff auf seine Frau stattgefun­den haben soll – und sonst keine weiteren Spuren. Auch die Entführer meldeten sich nicht. Anfang 2019 bat die Polizei die Öffentlich­keit um Mithilfe.

Die Beweislage gegen Tom Hagen ist unklar, auch zum Motiv gibt es nur Spekulatio­nen. Demnach soll die Ehe – die seit fünf Jahrzehnte­n besteht – brüchig gewesen sein. Bei einer Scheidung, die Anne-elisabeth möglicherw­eise ins Auge gefasst hat, hätte sie vielleicht viel Geld bekommen. Ein Mordmotiv? Eher unwahrsche­inlich. Genauso fraglich ist nach wie vor, wie der nicht vorbestraf­te Tom Hagen eine Entführung oder einen Mord derart profession­ell durchgefüh­rt haben soll. Ein weiterer Verdächtig­er, der sich im Gegensatz zu Hagen mit Kryptowähr­ungen auskennt, ist inzwischen ebenfalls wieder auf freiem Fuß. Er war als mutmaßlich­er Helfer Hagens festgenomm­en worden. Die Beweislage sei zu dünn, erklärte ein Gericht.

Die Kinder des Ehepaares haben sich öffentlich auf die Seite des Vaters geschlagen: Dieser hätte niemals seine Frau und ihre Mutter ermordet, sind sie sich sicher.

Und die Belohnung, die Tom Hagen nun ausgesetzt hat? Sein Anwalt Svein Holden – ein Staranwalt in Norwegen – sagte dem Sender TV2: „Tom Hagen hat Angst davor, dass seine Frau nie gefunden wird. Deshalb hat er nun diese Maßnahme ergriffen, um herauszufi­nden, was mit ihr geschehen ist.“

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Foto: Meek, dpa Die Polizei untersucht­e mehrfach Grundstück Tom Hagens. das

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