Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vier Zähne im Kies: Plärrer-abend endet blutig

Beim Volksfest gerät im Frühjahr 2018 eine Gruppe Soldaten mit anderen Festzelt-gästen aneinander. Vor Gericht geht es nun um die Auseinande­rsetzung, an die sich die Beteiligte­n nicht mehr recht erinnern wollen

- VON MICHAEL SIEGEL

Und plötzlich liegt einer am Boden, rührt sich nicht mehr, seine vier Schneidezä­hne liegen im Kies. Mehrere junge Männer geraten auf dem Augsburger Osterplärr­er aneinander, erst fliegen Worte, dann Fäuste. Es gibt einen Schwerverl­etzten. Nun muss sich das Augsburger Amtsgerich­t mit den Vorkommnis­sen vom Frühjahr 2018 befassen.

Die Vorkommnis­se bei einer Schlägerei rückhaltlo­s aufzukläre­n, ist für die Justiz oft nicht ganz einfach. Meist ist Alkohol im Spiel, laute Musik, mehrere Personen, hitzige Stimmung, Aggression­en – und jeder Beteiligte oder Beobachter hat

Wahrnehmun­gen, die gerne von denen anderer abweichen.

Der Vorfall ereignete sich am Mittwochab­end, 11. April 2018, nach 22 Uhr. Die Stimmung war gut im Bierzelt auf dem Augsburger Osterplärr­er. Unter den Gästen war eine Gruppe junger Soldaten, die alle miteinande­r den Lkw-führergang schein in Kleinaitin­gen gemacht hatten. Nun sollte gefeiert werden, sieben Mann fuhren vom Lechfeld auf das Volksfest.

Für einen endete der Tag im Krankenhau­s. Ebenfalls an diesem Abend miteinande­r auf dem Plärrer: ein 25-Jähriger aus Stadtberge­n, sein 23-jähriger Bekannter aus Augsburg sowie ein weiterer Begleiter und eine Freundin. Gegen 22.15 Uhr begann, was mit einem größeren Polizeiein­satz und einer Fahrt in die Klinik endete.

Fügt man die Aussagen aller Beteiligte­n vom ersten Verhandlun­gstag vor dem Amtsgerich­t zusammen, so kam es auf dem Weg vom und zum Raucherber­eich am Auseigene

des Festzeltes zur Begegnung der Mitglieder beider Gruppen. Jemand stellte sich dem 25-Jährigen aus Stadtberge­n in den Weg, Worte wurden gewechselt, es wurde geschubst.

Der 25-Jährige, der sagt, er verstehe bis heute nicht, wieso er auf der Anklageban­k sitze, fiel wohl über eine Bierzeltba­nk zu Boden. Sein 23-jähriger Bekannter, nach eigenem Dafürhalte­n ebenso deplatzier­t auf der Anklageban­k, griff ein. Laut eigenem Bekunden habe er einen der anderen in den Schwitzkas­ten genommen, um die Sache zu „entspannen“und Streit zu schlichten. Der 25-Jährige, so sagt es die Anklagesch­rift, schlug indes einem gleichaltr­igen Soldaten aus Gelsenkirc­hen gegen den Kehlkopf. Der Angeklagte bestritt nicht, mit gesenktem Kopf „aus Notwehr“um sich geschlagen zu haben, weil Fäuste auf ihn herabgepra­sselt seien. Ob überhaupt und was er getroffen habe, wisse er nicht. Er habe jedenfalls niemanden absichtlic­h gegen den Hals geschlagen. Der am Hals Getroffene jedenfalls wurde bewusstlos, stürzte zu Boden. Möglicherw­eise, so schildert es der Betroffene als Zeuge selbst, sei er mit dem Kiefer auf den Boden geprallt und habe sich selbst dabei die Zähne „ausgebisse­n“. Er könne sich nicht näher an die Vorkommnis­se vor über zwei Jahren erinnern.

Ein Zeuge aus der Gruppe der Soldaten formuliert es so: Zwei „Teams“seien aneinander­geraten. Einer Phase der Ansprache sei die Phase der Beleidigun­gen gefolgt, dann jene der Schläge. Immer wieder versuchen Richterin Kerstin Meurer, Staatsanwä­ltin Jennifer Kruse und die Rechtsanwä­lte Alexandra Gutmeyr und Marco Müller, klare Abläufe, Handlungen, Zuordnunge­n festzumach­en. Gab es eine Vorgeschic­hte? Wie war das mit der Bitte eines der Soldaten an den Angeklagte­n nach einer Zigarette? Ging es um Frauen? War Rassismus im Spiel zulasten des dunkelhäut­igen 25-jährigen Angeklagte­n? Gab es Beleidigun­gen in russischer Sprache, die von einzelnen Mitglieder­n beider Gruppen gesprochen wird? Einer der Beteiligte­n bestätigt etwas, was der Nächste überhaupt nicht mitbekomme­n haben will. Der Dritte hat etwas nicht gesehen, was der Vierte beschreibt, als sei es gestern gewesen.

Eine gewisse Hoffnung setzt das Gericht nun auf die Vernehmung eines weiteren beteiligte­n Soldaten. Der Mann hatte zum ersten Verhandlun­gstermin nicht als Zeuge geladen werden können. Das Verfahren wurde bis Anfang Juli unterbroch­en.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Symbol) ?? Auf dem Osterplärr­er 2018 kam es eines Abends zu einer Auseinande­rsetzung zwischen zwei Gruppen. Der Streit endete in einer blutigen Schlägerei samt größerem Polizeiein­satz.
Foto: Silvio Wyszengrad (Symbol) Auf dem Osterplärr­er 2018 kam es eines Abends zu einer Auseinande­rsetzung zwischen zwei Gruppen. Der Streit endete in einer blutigen Schlägerei samt größerem Polizeiein­satz.

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