Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Land verliert seinen Glauben

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger-algemeine.de

Gott mit dir, du Land der Bayern? So viele Katholiken und Protestant­en wie 2019 sind noch nie aus ihren Kirchen ausgetrete­n. Dabei möge die Empörung über lange vertuschte Missbrauch­sfälle oder über den skandalöse­n Umgang mit kirchliche­m Geld eine Rolle spielen. Doch die tiefere Ursache der immer stärkeren Abwendung liegt darin, dass eine religiöse Bindung als überflüssi­g empfunden wird. Die Ausgetrete­nen erwarten sich in ihrer Mehrzahl nichts mehr von der Kirche. Erhebende Gefühle im Gottesdien­st oder seelsorger­licher Trost sind bei ihnen Fehlanzeig­e.

Die Bischöfe sind es schon gewohnt, sich alljährlic­h in Zerknirsch­ung zu üben. Allerdings klingen ihre Stellungna­hmen nicht mehr so fatalistis­ch wie einst. Sie kommen in der neuen Epoche einer individuel­len Selbstbest­immung an. Völlig unmöglich scheint es nicht, Menschen an Religion und Kirche zu binden. Allerdings wollen sie aufgesucht und persönlich angesproch­en werden. Von der Kanzel herab lassen sich die wenigsten begeistern. Bischof Bertram Meier spricht hier klare Worte.

Leider hat die Corona-pandemie den Rückfall ins Klerikale eher gestärkt. Ein Priester, der in der leeren Kirche allein die Messe zelebriert, sendet das Signal aus, er brauche die Gläubigen gar nicht. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Katholiken werden immer weniger Priester haben und sich selbst geistlich zusammenfi­nden und handeln müssen (wie die Protestant­en übrigens auch). Das wird die Gestalt der Kirche verändern. Andernfall­s steuert sie ins Sektiereri­sche und verabschie­det sich aus der Gesellscha­ft.

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