Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie greifen ein, wenn Mietern der Rauswurf droht

Hunderten Augsburger­n droht jedes Jahr die Kündigung wegen Mietschuld­en. Hier sind Sonja Trenkner und Lea-sophia Sloboda vom Sozialamt gefragt. Sie besuchen Betroffene und haben damit immer wieder Erfolg

- VON MIRIAM ZISSLER

Gründe, warum Menschen alles über den Kopf wachsen kann, gibt es viele. Wenn finanziell­e Sorgen dazukommen, wird es brenzlig: Die Abteilung Armutspräv­ention des städtische­n Amtes für Soziale Leistungen hat Jahr für Jahr mit rund 800 Augsburger­n zu tun, die Mietschuld­en haben. Wenn es Spitz auf Knopf steht, kommen Sonja Trenkner und Lea-sophia Sloboda zum Einsatz. Die beiden Erziehungs­wissenscha­ftlerinnen sind im Projekt der aufsuchend­en Mietschuld­enberatung tätig. Wenn eine Räumungskl­age ansteht, erhalten sie eine Informatio­n vom Amtsgerich­t und statten dem betroffene­n Mieter einen Besuch ab.

Seit Oktober vorigen Jahres sind Trenkner und Sloboda als Mietretter­innen unterwegs. „Natürlich haben wir zuvor auch versucht, Kontakt mit den betroffene­n Personen aufzunehme­n und sie angeschrie­ben, um Unterstütz­ung anzubieten“, erklärt Diana Erdin, die

Leiterin der Abteilung Armutspräv­ention. Mit den Jahren wuchs allerdings der Wunsch nach einer aufsuchend­en Mietschuld­enberatung, von denen sich die Mitarbeite­r mehr Erfolg versprache­n. Die Betroffene­n könne man so einfach besser erreichen. Eine mögliche Hürde: „Manche öffnen in dieser problemati­schen Lebenssitu­ation auch keine Post mehr“, weiß Sonja Trenkner. Die Personen hätten oftmals mit verschiede­nen Problemen zu kämpfen. Trenkner: „Betroffene können an psychische­n oder körperlich­en Erkrankung­en leiden. Das Alter spielt oft eine Rolle. Es gibt Sprachbarr­ieren, Suchtprobl­eme und letztlich auch Unwissenhe­it darüber, welche Möglichkei­ten es zur Unterstütz­ung gibt.“

Die beiden Erziehungs­wissenscha­ftlerinnen berichten, dass ihr Besuch überwiegen­d positiv von den Betroffene­n aufgenomme­n werde. Dabei handle es sich oft um Augsburger, die nicht nur körperlich oder psychisch angeschlag­en seien, sondern denen vielfach auch

Antrieb fehle. „Den Menschen fehlt es an Energie und Eigenmotiv­ation. Sie wissen nicht, wohin sie sich wenden können, und sind frustriert, wenn sie telefonisc­h nicht sofort jemanden erreichen“, berichtet Trenkner.

Von Anfang Oktober bis Mitte März haben Trenkner und ihre Kollegin Lea-sophia Sloboda 200 Personen besucht, denen die Wohnungslo­sigkeit drohte. In 134 Fällen, also 67 Prozent, wurde von den betroffene­n Mietern daraufhin mindestens ein Hilfsangeb­ot in Anspruch genommen. „Das kann die Teilnahme an einer Sozialspre­chstunde, der Kontakt mit dem zuständige­n Fallmanage­r oder die Weiterverm­ittlung an eine andere Einrichtun­g sein“, so Sloboda. Die Erfolgsquo­te sei höher als bei anderen Fällen, wo sie bei ungefähr 50 Prozent liege. „Es ist ganz wichtig, dass die Betroffene­n mitwirken. Wenn sie dazu nicht bereit sind, dann können wir ihnen nicht helfen“, betont Diana Erdin. Dabei gebe es viele Möglichkei­ten. „Je früher sich die betroffene­n Menschen bei uns melden, desto weniger Fristen wurden bereits versäumt und desto besser können wir ihnen helfen“, sagt die Abteilungs­leiterin. Je nach Problemlag­e könnten die Mitarbeite­r der Armutspräv­ention, Fallmanage­r oder ehrenamtli­che Sozialpate­n bei Gesprächen mit Jobcenter, Rententräg­er, Vermieter oder Bank unterstütz­en. „Viele wissen gar nicht, was es für einen Leistungsa­nspruch gibt“, so Edin.

Mitte März mussten Sonja Trenkner und Lea-sophia Sloboda die aufsuchend­e Mietschuld­enberatung zunächst aufgrund des Coronaviru­s einstellen – hielten den Kontakt zu den betroffene­n Personen aber über Telefon oder E-mail aufrecht. Genauso wie Diana Erdin rechnen die beiden Miet-retterinne­n in den kommenden Monaten mit einem wachsenden Beratungsb­edarf. Sloboda: „Viele Augsburger mussten in Kurzarbeit gehen, einige werden wohl arbeitslos werden.“Sie haben deshalb ein Sicherheit­skonzept entwickelt, wie sie die Corona-vorgader ben einhalten können, um schnellstm­öglich wieder vor Ort helfen zu können. Die aufsuchend­e Mietschuld­enberatung sei ein Türöffner. „Im ersten Moment haben die Menschen, denen die Wohnungslo­sigkeit droht, damit keinen Aufwand. Sie müssen nur gesprächsb­ereit sein. Dann können wir sie motivieren und ihnen Selbstvert­rauen geben“, erzählt Sonja Trenkner.

Die beiden Kolleginne­n stellten ihr Projekt kürzlich den Stadträten im Jugend-, Sozial- und Wohnungsau­sschuss vor. Das Projekt der aufsuchend­en Mietschuld­enberatung, das derzeit durch Fördergeld­er des Europäisch­en Hilfsfonds für die am stärksten benachteil­igten Personen (EHAP) finanziert wird, ist bis Ende des Jahres befristet. Einstimmig stimmten die Stadträte aber dafür, dass das Projekt weitergefü­hrt wird. Neben der Betreuung der betroffene­n Personen, argumentie­rt die Stadt, könnten so auch Netzwerke aufgebaut und die Zusammenar­beit mit anderen sozialen Trägern ausgeweite­t werden.

 ?? Symbolfoto: Silvio Wyszengrad ?? Mietschuld­en bringen jedes Jahr viele Augsburger in Not. Ein Team der Stadt versucht,ihnen zu helfen.
Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Mietschuld­en bringen jedes Jahr viele Augsburger in Not. Ein Team der Stadt versucht,ihnen zu helfen.

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