Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Knallrote Stühle und die neueste Tontechnik
500 000 Euro stecken die Betreiber Daniela Bergauer und Michael Hehl mithilfe der Filmförderung in die Renovierung ihres Lilioms. Im Restaurant laufen ab sofort Stummfilme
Das Foyer blitzt (noch) nicht. Am Mittwoch waren bis zum späten Nachmittag vor allem Handwerker am Zug. Denn die Pandemie hat auch die Sanierung des Liliom am Unteren Graben verzögert. So wurden laut Daniela Bergauer und Michael Hehl einige Teile nicht rechtzeitig geliefert. Wie die nagelneue Popcornmaschine aus England. Doch im Großen und Ganzen können sich Filmfreunde auf das rundum erneuerte Kino mit den schönen Programmkästen freuen. So bieten die knallroten Sitze mit Federkern und hohen Lehnen in beiden Sälen nun eine Beinfreiheit von 1,20 Metern, ein, laut Hehl, unerreichter Wert in der Fuggerstadt. Auch die Projektions- und Tontechnik wurde erneuert, ebenso das Lichtkonzept, das über 64000 Lichtstimmungen erlaubt. Alles neu also – nur Herr Liliom mit Brechtmütze sitzt bereits seit Jahrzehnten im Kinosaal. 500000 Euro hat die Renovierung gekostet, etwa die Hälfte des Betrages kam von diversen Filmförderungen. Eigentlich sollte erst während der Fußball-europameisterschaft im Juni „umgebaut“werden, dann kam Corona. Die Betreiber haben das Beste aus der Krise gemacht. Im März kam für sie von heute auf morgen die von den Behörden verfügte Schließung ihres Kinos. Es ging nichts mehr – das Haus mit zwei Kinosälen, Restaurant und Biergarten blieb dunkel. Das brachte die Besitzer auf die Idee, das kleine Schmuckstück, das Teil des Weltkulturerbes ist, schon früher zu renovieren. Nach wie vor ist das Liliom mehr als nur ein Filmtheater mit Restaurant. In Letzterem laufen ab sofort Stummfilme.
Das Haus ist ein geschichtsträchtiger Ort: Schon Mitte des 16. Jahrhunderts wurde dort ein Brunnenpumpwerk errichtet. Die Mechanik beförderte Wasser in den unteren Brunnenturm. Später wurde es Heimat für das Augsburger Eisenwerk, anschließend kam eine Feilenhauerei und verschiedene mechanische Werkstätten. Bis der Cineast Tom Dittrich, der bereits in der Filmbühne in der City Arthouse-filme zeigte, es entdeckte. In den 1980er Jahren wurde das Liliom aufwendig saniert und am 7. Dezember 1989 eröffnet. All die Jahre mit besonderen Filmen, Blockbuster fanden kaum den Weg auf die beiden Leinwände. Das hat sich auch mit der Übergabe Anfang 2019 von Dittrich an das Paar Bergauer und Hehl nicht geändert. Sie bieten ambitioniertes Kino, dazu Programmreihen für ein jüngeres Publikum und sie haben sich mit anderen Kultureinrichtungen in der Fuggerstadt vernetzt. Noch immer ist die Glasplatte am Eingang, die auf den reißenden Stadtgraben blicken lässt, ein Hingucker.
Doch Corona verändert auch den Kinobesuch. So können im großen Saal nur 50 von 170 Plätzen belegt werden, im Kleinen 15 von 60. Und es herrscht Mundschutzpflicht im Foyer und in den Sanitäranlagen. Nur während des Films muss die Maske nicht getragen werden. Mit Filmen wie „Der Fall Richard Jewell“, „Die schönsten Jahre eines Lebens“oder „Berlin Alexanderplatz“laufen Streifen, die das Herz jedes Cineasten höherschlagen lassen. Auch die Reihe „Klassiker“erfreut sich großer Beliebtheit. Alles paletti? Nein, die Toiletten wurden nicht saniert. Eigentlich wollte das die Stadt übernehmen, der das Haus gehört. Doch in Zeiten von Corona sind deren Kassen leer. Jetzt wollen die Betreiber das übernehmen. Alle weiteren Infos wie das Programm unter www.liliom.de