Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Harte Zeiten für Premium Aerotec

Der Mutter-konzern Airbus will in Deutschlan­d 6000 Stellen streichen. Viele davon offenbar auch in Augsburg. Die Belegschaf­t versucht sich zu wehren und die Arbeitnehm­ervertrete­r lassen ihrem Frust freien Lauf

- VON ANDREA WENZEL UND STEFAN STAHL

Die Corona-pandemie trifft die Beschäftig­ten des Augsburger Flugzeugba­uers Premium Aerotec in mehrerlei Hinsicht. Zu Wochenbegi­nn hatte der Mutterkonz­ern Airbus mitgeteilt, dass er allein in Deutschlan­d 6000 Stellen streichen will, eben auch bei Premium Aerotec mit Sitz in Augsburg. Wie viele es hier konkret sein werden, blieb offen. Und nun, wo man sich gegen diese Pläne wehren will, kann man es – zumindest öffentlich­keitswirks­am – nur bedingt. Denn in Zeiten von Corona sowie Hygiene- und Abstandsre­geln sind Kundgebung­en in großem Stil schwierig zu organisier­en. So zogen am Mittwochmi­ttag statt der zuletzt üblichen mehreren hundert Mitarbeite­r nur rund 80 Beschäftig­te vors Werktor in der Galvanistr­aße in Haunstette­n, hielten Schilder mit Sprüchen wie „Nur gemeinsam durch die Krise!“in die Luft und rollten ein Meter langes Transparen­t mit Köpfen einiger Beschäftig­ten aus, um zu zeigen: Wir stehen hier im Namen aller 3500 Kollegen.

Es war ungewohnt still für eine solche Veranstalt­ung, denn Trillerpfe­ifen waren tabu und auch markige Sprüche wurden nicht lauthals skandiert. Die Einzigen, die sich in gebührende­m Abstand und wie gewohnt lautstark zu Wort melden konnten, waren der Betriebsra­tsvorsitze­nde Sebastian Kunzendorf und Augsburgs Ig-metall-chef Michael Leppek. „Es kann nicht sein, dass nach zwei Monaten Krise bereits Abbaupläne in dieser Dimension verkündet werden. Das bedroht uns alle“, sagte Kunzendorf, der auch im Konzern- und dem Europäisch­en Betriebsra­t vertreten ist. Michael Leppek stieß ins gleiche Horn: „Hier wird die Corona-krise genutzt, um den Stellenabb­au in einer Größe durchzuset­zen, wie man es vorher nicht hätte machen können. Das ist eine Sauerei, das ist asozial“, rief der Gewerkscha­fter den Beschäftig­ten durchs Megafon zu und erntete dafür donnernden Applaus.

Wie viele Stellen in Augsburg konkret wegfallen sollen, ist bislang unklar. Recherchen unserer Redaktion haben jedoch ergeben, dass die deutsche Airbus-tochter Premium Aerotec besonders hart von den Einschnitt­en betroffen ist. Demnach soll fast jede zweite der insgesamt 6000 auf der Streichlis­te stehenden Stellen von Premium Aerotec stammen.

Für die Mitarbeite­r vor Ort sind die geplanten Einschnitt­e wie ein Schlag ins Gesicht. Die Corona-phase habe das Arbeiten, wie anderswo ohnehin schon erschwert und verändert, jetzt käme diese Hiobsbotsc­haft noch obendrauf, erzählen Beschäftig­te im Gespräch mit unserer Zeitung. Für Dieter Durner ist die Lage kaum in Worte zu fassen: „So etwas habe ich in den 41 Jahren, die ich hier arbeite, noch nicht erlebt“, sagt er und spielt dabei ebenfalls auf die Vermutung an, dass die Krise als Ausrede benutzt wird, um einen massiven Stellenabb­au durchzudrü­cken.

Denn schon vor Corona standen bei Premium Aerotec die Zeichen auf Restruktur­ierung. Anfang 2019 gab der Zulieferer für den Flugzeugba­u bekannt, im schlimmste­n Fall bis 2023 bis zu 1100 Arbeitsplä­tze abbauen zu müssen. Als akut gefährdet galten zunächst rund 500 Arbeitsplä­tze in Augsburg. Eine Mischung aus hohem Kostendruc­k und dem Wegfall großer Aufträge wie dem A380 haben dem Standort zu schaffen gemacht. Er ist aus Sicht der Airbus-mutter nicht mehr ausreichen­d wettbewerb­sfähig. Um es nicht zum Worst–case-szenario und der Zahl von 1100 Stellenstr­eikommen zu lassen, mussten daher dringend neue Auftragspa­kete gewonnen werden. Daran wurde zuletzt, auch auf Druck der Arbeitnehm­ervertrete­r, intensiv gearbeitet. Der Zuschlag für den Bau des hinteren Mitteltank­s für die Langstreck­enversion des Airbus A320-familie war hierfür ein erster Teilerfolg.

Alle dennoch nötigen und im Restruktur­ierungspro­gramm festgelegt­en Stellenstr­eichungen – bis Ende 2020 gilt ein Kündigungs­schutz – wollte das Unternehme­n Stand damals über den Abbau von Leiharbeit­ern, durch Verrentung, Altersteil­zeit oder natürliche Fluktuatio­n zu regeln versuchen. Doch wenn die Zahl der zu streichend­en Stellen nun in der Corona-krise doch noch einmal erhöht wird, bleibe für solche Maßnahmen immer weniger Spielraum. Dann werde es auch betriebsbe­dingte Kündigunge­n geben, fürchten die Mitarbeite­r am Standort. „Wir haben nun noch mehr Angst um unsere Arbeitsplä­tze als ohnehin schon. Und diese Ungewisshe­it, was kommen wird, beauch, lastet einen schon“, erzählt eine Mitarbeite­rin, die lieber anonym bleiben will. Ihr Kollege ergänzt: „Nun haben wir gefühlt die letzten zwölf Monate restruktur­iert und gemacht, um den Arbeitspla­tzabbau so gering wie möglich zu halten, und wähnten uns auf gutem Weg und jetzt kommt das.“

Für Gewerkscha­fter Michael Leppek und Betriebsra­t Sebastian Kunzendorf ist die „Drohung“mit einem massiven Stellenabb­au schon allein deshalb der falsche Weg. Dazu bleiben andere Fragen: „Noch hat Airbus 7500 Flugzeuge zu bauen. Das wären unter normalen Bedingunge­n Arbeit für acht Jahre. Daher kann ich nicht verstehen, warum man nach zwei Monaten Krise nun so agiert“, zeigt sich der Gewerkscha­fter wütend. Aus seiner Sicht ginge es daher zunächst einmal darum, die Krise zu überstehen, bevor man über weitere Maßnahmen spricht. Hierfür müsste zunächst das Instrument der Kurzarbeit so weit wie möglich ausgeschöp­ft werden. Auch bei der Arbeitszei­t könnte man Airbus zeitlich befristet entgechung­en genkommen. „Wir sind zu Zugeständn­issen bereit, wenn diese helfen, Arbeitsplä­tze zu sichern“, so Leppek weiter.

Premium Aerotec wollte sich selbst am Mittwoch nicht zu den Airbus-plänen äußern. Man bitte um Verständni­s, dass keine über die Airbus-kommunikat­ion hinausgehe­nden Informatio­nen bereitgest­ellt werden könnten. „Es stehen zunächst Gespräche mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn an“, lässt Unternehme­nssprecher­in Barbara Sagel wissen. Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle sagt: „Diese Pläne sind ein Schlag für die Betroffene­n, ihre Familien und auch den Standort. Wir werden uns bemühen, mit unserem Instrument­enkoffer, zu dem unter anderem die Allianz für Arbeitsplä­tze gehört, dies so gut wie möglich zu begleiten. Wir hoffen dabei auf gute Zusammenar­beit mit allen Beteiligte­n.“Die Stadt wolle zudem schnellstm­öglich in Kontakt mit Arbeitnehm­ervertrete­rn und Unternehme­nsleitung kommen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Rund 80 Mitarbeite­r von Premium Aerotec zogen am Mittwochmi­ttag vor das Werkstor an der Galvanistr­aße in Haunstette­n. Sie wehrten sich gegen die Pläne von Airbus, in Deutschlan­d rund 6000 Stellen abzubauen, eine bislang unbekannte Zahl davon auch beim Tochter-unternehme­n Premium Aerotec.
Foto: Ulrich Wagner Rund 80 Mitarbeite­r von Premium Aerotec zogen am Mittwochmi­ttag vor das Werkstor an der Galvanistr­aße in Haunstette­n. Sie wehrten sich gegen die Pläne von Airbus, in Deutschlan­d rund 6000 Stellen abzubauen, eine bislang unbekannte Zahl davon auch beim Tochter-unternehme­n Premium Aerotec.

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