Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das lange Warten auf Flugticket-erstattungen
Stillstand Unfreiwillig haben Passagiere und Reisebüros den Airlines in der Corona-krise Kleinkredite gegeben. Nach der staatlichen Lufthansa-rettung sollten nun Erstattungen schneller fließen. Gutscheine muss niemand annehmen
Frankfurt am Main So viel Ärger ums Fliegen war selten: Nach den massenhaften Flugausfällen in der Corona-krise warten tausende Verbraucher auch Wochen und Monate später noch auf die rechtlich verbindliche Erstattung ihrer Tickets. Verbraucherschützer und Flugrechtsportale sind sich einig, dass die Airlines mit wenigen Ausnahmen die Zahlungen absichtlich verzögert haben. Auch nach der Staatsrettung des größten Anbieters Lufthansa und einem neuen Gesetz zu möglichen Gutscheinen bleibt die Lage angespannt. Die Opposition verlangt ein schärferes Vorgehen staatlicher Stellen gegen die zahlungsunwilligen Fluggesellschaften.
In Folge der Pandemie war der Luftverkehr Mitte März fast vollständig zusammengebrochen, tausende Flüge wurden storniert. Grundsätzlich müssen die Gesellschaften den Ticketpreis innerhalb von sieben Tagen erstatten. Lufthansa und andere Gesellschaften hatten hingegen zunächst darauf gesetzt, die Kunden mit Gutscheinen abzufinden. Dies scheiterte aber an der Eu-kommission.
Anfang Juli wurde dann im Bundestag ein Gesetz beschlossen, wie solche Gutscheine ausgestaltet sein müssen. Annehmen muss sie aber niemand, Verbraucher können sich das Geld immer noch erstatten lassen. „Jetzt spätestens muss ausgezahlt werden“, sagt Marion Jungbluth, Mobilitätsexpertin beim Verbraucherzentrale-verband vzbv.
Die Grünen verlangen ein schärferes Vorgehen des Luftfahrtbundesamtes gegen säumige Airlines, im Zweifel auch mit Bußgeldern. Das Amt zeigt sich dazu zwar grundsätzlich bereit, wartet aber auf Beschwerden und Fälle. Der Grünenpolitiker Markus Tressel sieht die Bundesregierung in der Pflicht, eine Lösung zu finden, damit nicht tausende Kunden einzeln den Rechtsweg beschreiten müssten. So lange haben Flugrechtsportale nicht gewartet, wie Lars Watermann von Euflight.de berichtet: „Wir haben bereits mehr als 1000 Klagen eingereicht, entweder als Inkasso-dienstleister für den Kunden oder auf eigene Rechnung. Erst recht nach den ersten beiden Urteilen zu unseren Gunsten haben wir keinerlei Zweifel mehr, sämtliche Fälle zu gewinnen. Wir kaufen alles an. Und seit der Rettung der Lufthansa habe ich auch keine Bauchschmerzen mehr, eventuell mit unseren Forderungen in einem Insolvenzverfahren zu landen.“
Der vzbv bestätigt den täglichen Kleinkrieg im Netz und an den Hotlines: Airlines erweckten immer noch den falschen Eindruck, dass man nur Gutscheine verlangen könne. Hinweise auf die Erstattungsmöglichkeit würden versteckt und kompliziert formuliert, gelegentlich auch unberechtigte Stornogebühren gefordert. „Wir beobachten aktuell einen systematischen Rechtsbruch quer durch die Luftverkehrsbranche“, sagt Anwalt Peter Lassek von der Verbraucherzentrale Hessen noch deutlicher. „Einen Gutschein erhält man innerhalb von Minuten, die Erstattungen sollen hingegen Monate dauern. Das kann es nicht sein“, sagt Watermann, der auch nach der Rettung der Lufthansa keine Besserung beobachtet hat. „Leider hat die Lufthansa auch nach der Rettung ihr Verhalten nicht geändert. Es wird mit allen möglichen Tricks, Haken und Ösen versucht, die Auszahlungen zu verhindern.“
Neben den Passagieren sind auch viele Reisebüros gekniffen, denn sie warten ebenfalls häufig vergeblich auf das Geld der Airlines, müssen die eigenen Kunden aber befriedischnelle gen, sagt der Deutsche Reiseverband. Das gefährde die Existenz vieler Betriebe. Lufthansa hat zwar eingeräumt, mit dem Shutdown die automatische Erstattung über die professionellen Buchungssysteme abgeschaltet zu haben und dies mit notwendigen Einzelfallprüfungen begründet. Seitdem würden aber die Personalkapazitäten ständig erhöht, um die Erstattungsanträge bearbeiten zu können. Der Konzern hat angekündigt, den Stau bis Mitte August zu beseitigen. Ende Juni stand mit rund einer Milliarde Euro aber noch rund die Hälfte der Erstattungen aus.
Konkurrent Ryanair will Ende Juli 90 Prozent der Fälle erledigt haben. Zu langsam, findet Watermann und nennt einen Favoriten: „Easyjet sind die Einzigen, die es gut machen.“Die hessische Verbraucherzentrale rät Betroffenen, die Rückzahlung schriftlich und mit zweiwöchiger Frist einzufordern. „Reagiert die Airline gar nicht, haben Sie die Möglichkeit, ein gerichtliches Mahn- oder Klageverfahren zu führen, wobei man stets das Kostenund Insolvenzrisiko im Blick behalten sollte. Eine Strafanzeige wird jedenfalls keine schnellere Rückerstattung bewirken“, so Anwalt Lassek.