Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Goldfinger: War beim Datenschut­z alles korrekt?

In dem Strafverfa­hren um angeblich milliarden­schwere Steuerhint­erziehung haben die Ermittler massenhaft Daten beschlagna­hmt. Nun gibt es Zweifel, ob das Vorgehen rechtens war. Die Verteidige­r haben einen schlimmen Verdacht

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Früher nahmen es die Ermittler mit dem Datenschut­z nicht immer ganz so genau. Glaubt man pensionier­ten Kripo-beamten, dann ging man bei einer Durchsuchu­ng rein, nahm alles mit, was nicht nietund nagelfest war und dann schaute man mal. Heute, in Zeiten elektronis­cher Datenverar­beitung, hat das Thema einen ganz anderen Stellenwer­t, und auch die Ermittler unterliege­n viel strengeren Bestimmung­en. Aber wurden diese Regeln im Goldfinger–prozess genau eingehalte­n? Daran gibt es Zweifel. Und die Verteidige­r haben sogar einen schlimmen Verdacht, was dahinterst­ecken könnte.

Alles begann mit einer großen Durchsuchu­ngsaktion am 17. Januar 2018. Der Schwerpunk­t lag in Süddeutsch­land. Razzien gab es aber im gesamten Bundesgebi­et sowie in Österreich und der Schweiz. Mehr als 200 Wohn- und Geschäftsr­äume wurden durchsucht. Im Einsatz waren 30 Staatsanwä­lte, davon ein guter Teil aus Augsburg, mehr als 800 Beamte verschiede­ner Steuerfahn­dungsbehör­den und Einsatzkrä­fte der Polizei. Der Verdacht: Rund 100 Millionäre haben mit dem Steuergest­altungsmod­ell „Goldfinger“dem Fiskus rund eine Milliarde Euro Steuern vorenthalt­en. Initiatore­n des Modells waren Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter zweier renommiert­er Münchner Kanzleien. Die Ermittler beschlagna­hmten massenhaft Daten. Unter anderem sind wohl die kompletten Server der beiden Kanzleien kopiert und sichergest­ellt worden.

Nun, zweieinhal­b Jahre später, könnte das zu einem Problem für die Augsburger Staatsanwa­ltschaft und die Steuerfahn­dung werden. Denn in den Unterlagen, die für alle rund 120 Verfahrens­beteiligte und deren Anwälte einsehbar sind, befinden sich nach Darstellun­g der Verteidige­r eine Menge Dokumente, die mit dem aktuellen Strafproze­ss überhaupt nichts zu tun haben. Verteidige­r Richard Beyer nennt als Beispiele Frauenarzt­rechnungen, Schulzeugn­isse und mengenweis­e sogenannte „Drittdaten“. Diesen Umstand haben die Anwälte der beiden Angeklagte­n Martin H. und Diethard G. schon einmal im Prozess gerügt und dabei auf ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahr 2005 hingewiese­n.

Demnach gelten bei der Durchsuchu­ng von Anwalts- oder Steuerbera­tungskanzl­eien besonders strenge Datenschut­z-richtlinie­n. So laut Verteidigu­ng bereits vor der Durchsuchu­ng eine Auswahl getroffen werden, welche Daten überhaupt mitgenomme­n werden dürfen. Nach dieser Vorselekti­on dürfe das Material gesichtet und dann entschiede­n werden, welche Daten tatsächlic­h beschlagna­hmt werden. Diese Vorselekti­on hat nach Überzeugun­g der Anwälte nicht stattgefun­den. Und die anschließe­nde Sichtung der Daten, unter anderem mit Stichwortl­isten, sei so weit gefasst gewesen, dass damit nahezu alle Mandate der vergangene­n zehn Jahre betroffen waren.

Nachdem im Prozess durch teils neue Dokumente und die Zeugenauss­agen mehrerer Steuerfahn­der weitere Details zu der Großrazzia ans Licht gekommen sind, macht die Verteidigu­ng nun ernst. Anwalt Beyer hat sich offiziell beim Landesbeau­ftragten für Datenschut­z bemüsse schwert und ihn aufgeforde­rt, das Vorgehen der Ermittler zu überprüfen. Es seien im Goldfinger-verfahren „massive Verstöße gegen das Datenschut­zrecht“zutage getreten, schreibt Beyer. Eine Sicherstel­lung der gesamten Kanzleidat­en hätte niemals stattfinde­n dürfen.

Es gibt zwei weitere kritische Punkte. Erstens: Die Sicherstel­lung der Daten erfolgte durch einen externen, privaten Dienstleis­ter, die Firma Fast Detect aus München. Sie hat sich auf It-forensik spezialisi­ert und wird häufig von Ermittlung­sbehörden beauftragt, wenn es um die Sicherstel­lung und Auswertung großer Datenmenge­n geht. Hatte es bislang geheißen, die nach einer Sichtung nicht beschlagna­hmten Daten würden gelöscht, gibt es inzwischen eine Stellungna­hme von Fast Detect, dass eine Löschung eben nicht erfolgt ist, sondern der gesamte Bestand sich weiterhin bei der Privatfirm­a befindet.

Zweitens: Eine Zeugenauss­age des Chef-steuerfahn­ders interpreti­ert die Verteidigu­ng so, dass die Kosten für die Auswertung der Daten und die Aufbewahru­ng bei Fast Detect vom bayerische­n Landesamt für Steuern getragen werden und nicht von den Ermittlung­sbehörden. Damit liege die Vermutung nahe, dass das Landesamt auch Auftraggeb­er sei und die Verfügungs­gewalt über die Daten bei Fast Detect habe. Da das Landesamt aber gar keine Befugnisse als Ermittlung­sbehörde habe, müsse dies unbedingt geklärt werden, betonen die Verteidige­r Richard Beyer, Daniel Dingraeve und Katharina Wild.

Sie haben einen Verdacht: Wollten sich die Finanzbehö­rden rechtswidr­ig umfangreic­he Unterlagen von bekannten Steuerkanz­leien verschaffe­n, um unbemerkt in diesem „Datenschat­z herumzusch­nüffeln“, wie es Beyer ausdrückt? Klar ist: Den Finanzbehö­rden war die Steuergest­altung mittels Goldhandel­sfirmen rasch ein Dorn im Auge, da dem Fiskus über mehrere Jahre etliche Steuermill­iarden entgingen. Doch erst 2013 wurde die Gesetzeslü­cke geschlosse­n.

 ?? Foto: Ole Spata, dpa ?? Im großen Augsburger Goldfinger-prozess geht es nun auch um den Datenschut­z. Die Verteidige­r der angeklagte­n Anwälte und Steuerbera­ter haben sich beim Landesbeau­ftragten für Datenschut­z beschwert.
Foto: Ole Spata, dpa Im großen Augsburger Goldfinger-prozess geht es nun auch um den Datenschut­z. Die Verteidige­r der angeklagte­n Anwälte und Steuerbera­ter haben sich beim Landesbeau­ftragten für Datenschut­z beschwert.

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