Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Experte: Luft im Flieger nicht rein

Wirksame Masken und Abstand schützen vor Ansteckung

- VON LILO SOLCHER

Fast gebetsmühl­enartig versichern Airline-sprecher, die Luft im Flugzeug sei „so sauber wie im Opsaal“. Coronasich­eres Fliegen sei also auch ohne freien Mittelplat­z kein Problem. Doch daran gibt es begründete Zweifel. Der Flugzeugba­uforscher Prof. Dieter Scholz sagt: „Wirklich sicher sind wir auf keinem Platz im Flugzeug. Wenn wir aber dicht neben einer erkrankten Person sitzen, dann ist die Wahrschein­lichkeit einer Ansteckung besonders groß.“

Die Maskenpfli­cht ändere daran nichts. „Die Masken können nur bei unvermeidb­arer kurzzeitig­er Begegnung unterhalb von 1,5 Metern helfen, aber nicht über Stunden im Flugzeug.“Außerdem werde „ein wirksamer Fremd- und Eigenschut­z nur durch filtrieren­de Halbmasken ohne Ausatemven­til erreicht“– nötig wäre also eine Ffp2-maske (Schutzwirk­ung mindestens 95 Prozent). Auch die Europäisch­e Agentur für Flugsicher­heit rät in ihren Empfehlung­en zu Flugreisen zu genormten medizinisc­hen Gesichtsma­sken. Dann könnten die Airlines jeden Platz besetzen. Und das tun sie auch, halten sich aber nicht an die strenge Maskenempf­ehlung, sondern verweisen auf die „saubere Luft wie im Op-saal“.

Wie aber kommt es zu diesem

Vergleich? Die einzige Gemeinsamk­eit sind die sogenannte­n Hepafilter, „High Efficiency Particulat­e Air Filter“, also Hochleistu­ngsfilter, die sowohl im Op-saal als auch im Flugzeug genutzt werden. Prof. Scholz erklärt die Belüftung im Flugzeug so: „Die Luft wird im Triebwerk des Flugzeugs verdichtet, ungefilter­t der Klimaanlag­e zugeführt und dort gekühlt. Anschließe­nd strömt sie aus der Kabinendec­ke, zirkuliert im Kabinenque­rschnitt und wird am Boden wieder abgesaugt. Etwa die Hälfte der zurückströ­menden Luft verlässt das Flugzeug, die andere Hälfte wird durch Hochleistu­ngsfilter geführt, die auch Viren zurückhalt­en können, und erneut in die Kabine eingebrach­t.“Weil die Menschen aber dicht beieinande­r säßen, „könnten sich feinste Tröpfchen, Aerosole, die durch Husten, Niesen oder Sprechen entstehen, durch Turbulenz und Diffusion über die ganze Kabine verteilen“.

Auch das Robert-koch-institut geht davon aus, dass es in Flugzeugen zu einer Ansteckung kommen könnte, selbst wenn die Wahrschein­lichkeit eher gering scheint. Nach Einschätzu­ng von Prof. Scholz beträgt die Wahrschein­lichkeit einer Ansteckung mit Covid-19 etwa 1 zu 1000. „Das ist die Wahrschein­lichkeit von vier Richtigen im Lotto.“Fälle von Virus-übertragun­gen im Flugzeug wurden bereits dokumentie­rt. Mitte März etwa hat auf einem dreistündi­gen Flug von Hongkong nach Peking ein Infizierte­r 20 Personen angesteckt. Nicht alle Fluglinien reagieren gleich. Delta Airlines hat bei einer Kundenbefr­agung große Besorgnis registrier­t, sich mit Covid-19 anzustecke­n. Daher garantiert die Airline einen Freiraum von einem benachbart­en Sitz. Andere amerikanis­che Airlines sowie die europäisch­en Fluglinien argumentie­ren vor allem aus wirtschaft­lichen Gründen gegen einen freien Mittelsitz.

Tipp: Wer fliegen will, sollte eine wirksame Maske nutzen und, wenn möglich, einen Fensterpla­tz buchen. Prof. Scholz: „Schließen Sie die Luftdüse, um weitere Turbulenz zu vermeiden. Bleiben Sie im Sitz und gehen Sie nicht unnötig umher.“

Aerosole könnten sich in der Kabine verteilen

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