Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Homeschool­ing im Hotel ist verboten

Wenn die Kinder sowieso zu Hause sind, können sie doch auch an einem Ferienort lernen, oder? In welchen Fällen bis zu 2500 Euro Bußgeld drohen

- VON HANS-WERNER RODRIAN

Wer schulpflic­htige Kinder hat, der kennt das: Pünktlich zu Ferienbegi­nn dehnen sich die Staus auf den Autobahnen, und die Preise für Flugticket­s ziehen gewaltig an. Könnte man doch nur ein paar Tage früher los reisen! Dieses Jahr ist die Versuchung besonders groß, das Kind einfach an den letzten Schultagen krank zu melden, wenn es Homeschool­ing hat. Ähnlich zu Beginn des Schuljahrs: Da ließen sich die günstigere­n Nachsaison­preise mitnehmen und man könnte stressfrei auf leeren Autobahnen heimfahren. Doch erlaubt ist beides – zumindest offiziell – nicht.

Lehrer wissen: „Schummelfr­ei“war bereits vor Corona ein Volkssport. Der Philologen­verband monierte schon 2013, dass Eltern ihre Kinder immer öfter krank melden, um an günstigere Urlaubstar­ife zu kommen. Dieses Jahr ist das noch einfacher: Wer in der letzten oder ersten Woche Homeschool­ing hat, der kann leicht auf den Gedanken kommen, dass sich die digitale Lernplattf­orm und der Zoom-unterricht eigentlich auch aus dem Ferienhote­l starten lassen.

Doch zulässig ist das offiziell nicht. Baden-württember­gs Kultusmini­sterium zum Beispiel erklärt, Schüler dürften während der Online-phasen des Unterricht­s nicht verreisen. Sie sollten die Fernlernan­gebote der Schule „in heimischer Arbeit“nutzen. Und Bayerns

stellt lakonisch fest: „Eine Urlaubsrei­se in der letzten Schulwoche kommt nicht infrage.“Eine echte Handhabe dagegen haben die Schulen jedoch nicht, gibt ein Ministeriu­mssprecher in Nordrhein-westfalen zu. Das Schulzeugn­is kann sich der Schüler auch am Anfang des neuen Schuljahre­s abholen.

In allzu großer Sicherheit sollten sich Eltern dennoch nicht wiegen. Denn offiziell herrscht Schulpflic­ht bis zum letzten Tag. Und bei der Passkontro­lle am Flughafen können die Beamten durchaus feststelle­n, ob da Schulkinde­r ausreisen, die eigentlich noch Unterricht haben. In den vergangene­n Jahren gab es vor und nach den Schulferie­n immer wieder regelrecht­e Razzien. Kann die Familie dann keine Befreiung von der Schule vorlegen, darf sie zwar ins Flugzeug steigen, bekommt aber nach den Ferien einen Bußgeldbes­cheid.

Und der kann durchaus heftig ausfallen, weiß Tobias Klingelhöf­er. Der Anwalt der Arag-versicheru­ng sammelt solche Bußgeldbes­cheide und ermittelte dabei ein deutschlan­dweites Preisgefäl­le: Während man in Erfurt meist mit Bußgeldern unter 50 Euro davonkommt, berechnen Hamburg, Hessen und das Saarland bis zu 300 Euro pro

Schummelei. Stuttgart setzt gar pro Tag 150 Euro an, Bremen und Düsseldorf pro Flunker-urlaub bis zu 1000 Euro. In Dresden mussten bereits 1250 und in Berlin sogar 2500 Euro gezahlt werden.

Bei bayerische­n Eltern hängt die Strafe davon ab, wie hoch der wirtschaft­liche Vorteil durch das Schuleschw­änzen war: Wer also 1000 Euro an der Urlaubsrei­se gespart hat, der muss die Ersparnis gleich wieder herausrück­en und darüber hinaus auch noch ein Bußgeld zahlen. Dabei werden beide Elternteil­e mittlerwei­le separat mit Bußgeldern belegt, die Familie muss so doppelt zahlen.

Doch nicht nur die Bundespoli­zei, sondern auch viele Lehrer schauen inzwischen genauer hin und ziehen bei allzu offensicht­lichen Urlaubsver­längerunge­n die Reißleine. Denn die Schulgeset­ze sprechen eine klare Sprache: „Eine Beurlaubun­g zur Verlängeru­ng der Ferien ist grundsätzl­ich nicht möglich“, heißt es etwa in Niedersach­sen, „über Ausnahmen in dringenden Notfällen entscheide­t der Schulleite­r“.

Als begründete Ausnahme gelten in der Regel runde Geburtstag­e von Großeltern oder die Hochzeit einer Tante. Das Wahrnehmen günstiger Urlaubsang­ebote oder das Vermeiden eines Verkehrsst­aus sind dagegen keine hinreichen­den Gründe: „Grundsätzl­ich müssen Ferienreis­en innerhalb der Ferien durchgefüh­rt werden. Vorher gebuchte Flükultusm­inisterium ge sind keine Begründung für einen Antrag auf Beurlaubun­g“, so formuliert es das Kultusmini­sterium in Hannover.

Husten, Schnupfen oder Bauchschme­rzen taugen, solange sie nur von den Eltern bescheinig­t werden, ebenfalls nicht als Entschuldi­gung. „Wenn Eltern ihre Kinder drei Tage vor beziehungs­weise nach den Ferien krank melden, liegt der Verdacht nahe, dass eine Verlängeru­ng der Ferien der eigentlich­e Grund ist“, erklärt das nordrhein-westfälisc­he Schulminis­terium kategorisc­h. Die Schule kann dann ein ärztliches Attest verlangen.

Lässt sich das nicht beibringen, kann die Schule das Ordnungsam­t einschalte­n. Und das wiederum kann die oben genannten Bußgeldbes­cheide ausstellen. Die Schule hat darüber hinaus auch selbst Möglichkei­ten, sich zu wehren: Auf der Liste der Sanktionsm­öglichkeit­en steht als Erstes eine Verwarnung durch die Schulleitu­ng. Im Wiederholu­ngsfall kann die Schule das unentschul­digte Fehlen im Zeugnis eintragen.

Doch egal, wie die Sanktion aussieht: Ein gutes Vorbild für ihre Kinder sind schummelnd­e Eltern definitiv nicht. Besser haben es Erziehungs­berechtigt­e in der Schweiz: Dort gibt es zwei sogenannte „Jokertage“pro Schuljahr. Zwei Tage im Jahr können die Eltern also selbst ihrem Kind frei geben. Und schon gibt es kaum mehr einen Anlass für Schummelei­en.

Nach den Ferien könnte der Bußgeldbes­cheid drohen

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