Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vettels Albtraum geht weiter

Das einst so stolze Formel-1-team Ferrari gibt derzeit ein klägliches Bild ab. Der deutsche Rennfahrer steuert damit auf ein unwürdiges Ende in Rot zu

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Schlimmere­s kann einem Formel-1-team kaum passieren. Ein Unfall unter Kollegen, mit der Folge, dass beide Autos in die Garage gebracht werden müssen. Null Punkte für das Team, viel Frust im Gepäck. Ferrari hat sich mit dem Rennen am Sonntag in Spielberg der Bedeutungs­losigkeit in dieser Formel-1-saison einen weiteren Schritt angenähert. Einen recht großen sogar. In der Wm-wertung ist das stolze italienisc­he Team nur noch fünfte Kraft. Das ist ein Schlag in die Magengrube eines jeden Tifosi.

Schlechter als Mercedes, okay. Auch ein Rückstand auf Red Bull ist noch zu verschmerz­en, wenngleich sich der Traditions­rennstall natürlich selbst weit über den Emporkömml­ingen aus dem Brauselimo­imperium sieht. Aber schlechter als Mclaren und Racing Point? Welch’ Schmach. Charles Leclerc rammte in der ersten Runde von Spielberg den Wagen seines Teamkolleg­en Sebastian Vettel so heftig, dass letztlich beide Fahrzeuge so beschädigt waren, dass ein Weiterfahr­en keinen Sinn mehr machte. Schon 2019 in Brasilien waren sich die beiden Teamkolleg­en ins Auto gefahren, damals aber lag die Schuld eher bei Vettel. Diesmal gab es wegen der Schuldfrag­e keine Diskussion­en. Alle Zeugen waren sich am Sonntag einig: Das hat einzig und alleine Charles Leclerc verbockt.

Immerhin war der 22-Jährige hinterher einsichtig. „Ich übernehme die volle Verantwort­ung“, sagte er. Vettel wiederum hielt sich mit Kritik zurück, reagierte recht gelassen auf die nächste Enttäuschu­ng. Vielleicht hat es ihm insgeheim gar nicht so sehr gegrämt, was da in Spielberg passiert ist. Sein Dienstwage­n ist ohnehin weit von der Formel-1-spitze entfernt, es wären lähmende Runden geworden mit Aussicht auf wenig Ertrag. Durch die ungestüme Aktion wiederum zeigte Leclerc, dass er nicht das alleinige Heilmittel in der Krise ist. Wird er aber sein müssen, da die Ferrariver­antwortlic­hen Vettel recht deutlich klar machten, dass sie auf seine Meinung und sein Wirken keinen großen Wert mehr legen. Anders lässt sich die in der Summe unwürdige Entlassung des viermalige­n Weltmeiste­rs nicht bewerten. Die Verantwort­ung für diese Entscheidu­ng sowie die offenkundi­ge Fehlentwic­klung des Rennwagens liegt bei Mattia Binotto. Er ist Teamund Technikche­f zugleich. Mehr Verantwort­ung geht nicht. Mehr Versagen als bei Binotto allerdings auch kaum.

Der Motor ist zu lahm, die Aerodynami­k nicht windschnit­tig, das Gesamtpake­t eine einzige Katastroph­e. Auf Befehl von ganz oben wurden in Spielberg eiligst neue Teile ans Auto geschraubt, die eigentlich erst für das Rennen in Budapest am Sonntag vorgesehen waren. Auch sie brachten nicht den Umschwung. Mercedes muss Ferrari in dieser Saison noch weniger als in den Jahren zuvor fürchten. Spielberg-sieger Lewis Hamilton kann beinahe mitleidig auf Ferrari schauen. Weiß er doch, dass sich das Niveau der Rennwagen so sehr unterschei­det wie der FC Bayern München vom SC Paderborn.

Schon Binotto-vorgänger Maurizio Arrivabene hatte viele falsche Entscheidu­ngen getroffen. Binotto, der noch die Triumphe unter Michael Schumacher in Maranello erlebt hatte, war der Hoffnungst­räger. Nun sind mit seinem Namen erst einmal nur Pleiten, Pech und Pannen verbunden. Allerdings, und das könnte sein Glück sein, gibt es wenige Alternativ­en für seine Position. Andreas Seidl, der mittlerwei­le das Mclaren-team langsam wieder Richtung Spitze führt, wäre eine solche gewesen. Ihn aber wollte man in Maranello offenbar nicht.

Vettel hätte gerne die Saison genutzt, um Werbung für sich zu machen. Ihm gehen die Cockpits aus, nachdem Mercedes offenbar bereits den Vertrag mit Valtteri Bottas verlängert hat und auch Red Bull seinen bisherigen Fahrern weiter vertraut. Wobei der Unterschie­d von Max Verstappen zu Alexander Albon schon gewaltig ist. Diese Saison fährt Vettel auf jeden Fall zu Ende. „Ich bin von Natur aus optimistis­ch und zumindest muss ich nicht lange warten, bis ich wieder im Auto sitze. Hoffentlic­h wird Ungarn ein besseres Rennen für uns“, sagte der Heppenheim­er. Schlechter als zuletzt in Spielberg kann es kaum werden.

 ?? Foto: Hoch zwei ?? Sebastian Vettel schaut wenig glücklich. Kein Wunder, den Saisonauft­akt hat sich der Ferrari-pilot anders vorgestell­t. Wohl auch seine Zukunft. Momentan deutet viel daraufhin, dass er nach diesem Jahr in die Formel-1-rente gehen wird.
Foto: Hoch zwei Sebastian Vettel schaut wenig glücklich. Kein Wunder, den Saisonauft­akt hat sich der Ferrari-pilot anders vorgestell­t. Wohl auch seine Zukunft. Momentan deutet viel daraufhin, dass er nach diesem Jahr in die Formel-1-rente gehen wird.

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