Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum eine Zinserhöhu­ng faktisch eine Senkung ist

Die Niedrigzin­sphase ist zweifellos eine schwere Belastung für die Finanzwirt­schaft. Doch vom Wehklagen der Banken-chefs sollten sich Verbrauche­r nicht irreführen lassen

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Das Geschäft mit den Zinsen läuft nicht mehr und Schuld sei nur die Europäisch­e Zentralban­k (EZB). Hierin sind sich Banken, Sparkassen und viele Finanzmedi­en in ihrem Narrativ vom kostentrei­benden Negativzin­s einig. Indem die EZB für das bei ihr geparkte Geld von Banken 0,5 Prozent Zinsen

verlangt, würden Sparguthab­en zum bedrohlich­en Kostenfakt­or für die Geldinstit­ute werden. Diesen bliebe gar nichts anderes übrig, als diese Strafzinse­n an die Kunden weiterzure­ichen. Das passiert durch Erhöhung von Kontokoste­n, Einführung von Verwahrent­gelten, Filialschl­ießungen und Kündigung von langlaufen­den Sparverträ­gen. Die Einschnitt­e für Sparer sind enorm. Doch dass dies nur einer kalten, europäisch­en Geldpoliti­k geschuldet ist, muss bei näherer Betrachtun­g bezweifelt werden.

Seit Mitte 2014 gibt es den negativen Einlagenzi­ns, der seither immer weiter gesunken ist. Im September 2019 von -0,4 auf jetzt -0,5 Prozent. Überschüss­ige Kundengeld­er, die nicht durch Kreditverg­abe oder Bargeldvor­haltung gebunden sind, werden bei der EZB zu diesem Zinssatz eingelegt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Zeitgleich zur letzten Einlagenzi­nssenkung hat die EZB auch ein Staffelzin­sverfahren (Tiering) eingeführt, das die Banken stark entlastet. Dies sieht einen Freibetrag vor, der überschieß­ende Kundengeld­er vom Negativzin­s ausnimmt. Dieser ist so hoch, dass der Strafzins für die Banken von -0,5 Prozent auf bis zu -0,26 Prozent sinkt. Damit liegt dieser sogar deutlich niedriger als vor September. Die letzte Zinssenkun­g der EZB war damit faktisch eine Zinserhöhu­ng für die deutschen Banken. Das wird so aber nicht kommunizie­rt.

Ebenso wenig wie der Umstand, dass negativer Einlagezin­s immer auch niedrigen Leitzins bedeutet.

Also der Zinssatz, für den sich Banken Geld von der Zentralban­k leihen können. Dieser liegt bei null Prozent. Billiges Geld ist also verfügbar, man muss es eben auch für die Kreditverg­abe als Bank ausgeben wollen. Kreditsuch­ende spüren davon praktisch nichts.

Die Niedrigzin­sphase bleibt zweifelsoh­ne eine schwere Belastung für die Finanzwirt­schaft. Auf Bankenseit­e ist dieser aber geringer, als allgemein dargestell­t wird. Vom Wehklagen der Branche sollten sich Verbrauche­r, Journalist­en und insbesonde­re Politiker nicht irreführen lassen. Die Banken müssen sich vielmehr fragen lassen, wie sie proaktiv mit der Dauerkrise umzugehen gedenken und wie es um ihre Innovation­s- und Anpassungs­fähigkeit bestellt ist.

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Foto: dpa Auch wenn Banken bei der europäisch­en EZB für geparktes Geld Zinsen zahlen müssen, bedeutet das nicht, dass sie das an die Kunden weitergebe­n müssen.
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Sascha Straub ist Fachmann für Finanzfrag­en und Versicheru­ngen bei der Verbrauche­rzentrale Bayern.

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