Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Wasserstoff-fans müssen ehrlich sein
Das Gas hat durchaus Potenzial, die Energiewende zum Erfolg zu bringen. Aber nur dann, wenn seine Befürworter auch mit offenen Karten spielen
Um ein Gas ist derzeit ein Hype entbrannt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat kürzlich mit den Kabinettskollegen eine nationale Wasserstoffstrategie vorgestellt, das Ziel ist nicht weniger als eine „globale Führungsrolle“. In Bayern will Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bis zum Jahr 2025 rund 100 Wasserstoff-tankstellen errichten lassen. Und auch Europa ist in das Thema eingestiegen. Wasserstoff hat das Potenzial, die Energiewende zum Erfolg zu bringen. Es wäre ein Baustein hin zu wirklichem Klimaschutz. Damit dies gelingt, braucht das Thema aber mehr Ehrlichkeit. Sonst droht eine Enttäuschung, ja, die Wasserstoffökonomie könnte gar zum Bremser des Klimaschutzes werden.
Wasserstoff hat viele Vorteile. Das Gas verbrennt ungiftig. Das
Abgas eines Wasserstoff-autos besteht aus Wasserdampf, Feinstaub und das Klimagas CO2 wären passé. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, von der Industrie, den Heizungen in den Häusern bis hin zur Mobilität. Für die coronageplagte deutsche Wirtschaft ergeben sich unzählige Geschäftschancen. Dank seiner hohen Energiedichte lassen sich mit Wasserstoff umweltfreundlich Lkw antreiben. Statt tonnenschwerer Batterien mit ihren umstrittenen Bestandteilen Lithium und Kobalt bräuchten die Fahrzeuge nur einen Wasserstofftank und eine Brennstoffzelle.
Damit ist Wasserstoff ein ideales Bindeglied, um ein Grundproblem der deutschen Energiewende zu lösen. Denn der Strom von Sonne und Wind ist unstet. An manchen Tagen ist er in Hülle und Fülle verfügbar. An anderen Tagen herrscht Flaute. Wasserstoff wäre ein hoffnungsvoller Speicher: Mit Elektrizität lässt sich aus Wasser recht einfach Wasserstoff und Sauerstoff erzeugen. Später kann dieses Gas in Strom zurückverwandelt werden, es kann Autos antreiben oder Wohnungen heizen. Doch hier genau beginnt das Problem. Die Erzählung ist gut, sie braucht aber mehr Ehrlichkeit.
Denn Nutzen für das Klima hat die Wasserstoff-ökonomie nur dann, wenn das Gas mit erneuerbarer Energie erzeugt wird. In Deutschland wird der überwiegende Teil des verfügbaren Wasserstoffs bisher aus fossilem Erdgas gewonnen, auch Kohle kann als Basis dienen. Erneuerbar erzeugten „grünen Wasserstoff“gibt es fast nur auf Basis kleiner Pilotprojekte. Wenn fossile Energieträger eingesetzt werden, ist für das Klima nicht viel gewonnen. Ja, für den Klimaschutz ist es ein Irrweg, wenn Wirtschaftsverbände fordern, übergangsweise auf konventionell erzeugten Wasserstoff zu setzen, um schnell den Einstieg in das Thema zu finden.
Die Wasserstoff-wirtschaft braucht also noch mehr, nicht weniger Strom von Sonne und Wind, um das Gas umweltfreundlich erzeugen zu können. Anzunehmen, dass Wasserstoff-autos das E-auto und damit Windräder oder Solarfelder überflüssig machen, wäre eine Illusion. Vielleicht lässt sich das Gas eines Tages im sonnigen Afrika herstellen. Derzeit ist dies eine reine Zukunftsvision.
Dazu kommt, dass der ganze Prozess der Erzeugung von Wasserstoff und der Rückverwandlung in Strom Unmengen Energie frisst. Schätzungen zufolge braucht man gut zwei- bis dreimal so viel Strom, um am Ende ein Wasserstoff-auto zu fahren, als wenn die Energie direkt in eine E-auto-batterie fließt. Fachleute fordern, dass für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft viel stärker in Windkraft und Photovoltaik investiert werden muss. Massiv mehr Windräder und Solaranlagen müssten in Deutschland errichtet werden.
Hier aber haben Bund und Land mit den Abstandsregeln für Windkraftanlagen massiv gebremst.
Wasserstoff braucht noch mehr Strom von Sonne und Wind