Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gerd Müller macht Druck: Ausbeutung beenden

Der Entwicklun­gsminister will Unternehme­n verpflicht­en, auch bei ausländisc­hen Zulieferer­n für die Einhaltung von Menschenre­chten und Sozialstan­dards zu garantiere­n. Die Wirtschaft wehrt sich – und die Union streitet

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Um Kinderarbe­it und Ausbeutung in Billiglohn­ländern zu bekämpfen, sollen deutsche Unternehme­n per Gesetz zur Einhaltung von Menschenre­chten verpflicht­et werden. Und zwar entlang ihrer gesamten Lieferkett­e, die oft aus vielen Gliedern auf der ganzen Welt besteht. Doch Wirtschaft­sverbände laufen Sturm gegen das Vorhaben von Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD). Sie befürchten Wettbewerb­snachteile für heimische Firmen. Diese dürften nicht als „Ersatzpoli­zei für die Einhaltung von Recht und Gesetz in den Produktion­sländern herhalten“, klagt etwa der Handelsver­band Deutschlan­d. Auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) tritt bei dem Vorhaben auf die Bremse.

Gerd Müller weist die Kritik der Unternehme­nsverbände als „überzogen“zurück. Unserer Redaktion sagte der Csu-politiker aus dem Allgäu: „Das zeigt nur, dass sie sich mit den Herausford­erungen in den Lieferkett­en nicht genug auskennen. Im Übrigen sind viele Unternehme­n bereits viel weiter als viele Verbandsve­rtreter. Das beweisen auch Initiative­n wie unser staatliche­s Textilsieg­el Grüner Knopf.“Sowohl Mittelstän­dler als auch große Unternehme­n wie Tchibo, Aldi und Lidl zeigten jeden Tag, dass faire Produktion und internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit einander nicht ausschließ­en würden. Es habe sich gezeigt, dass sich das Ziel, die Kinderarbe­it zu beenden, nicht durch Freiwillig­keit erreichen lasse, sagte Müller.

Die Bundesregi­erung hat inzwischen zum zweiten Mal deutsche Firmen nach ihrem Umgang mit dem Thema Menschenre­chte entlang ihrer oft weitverzwe­igten internatio­nalen Lieferkett­en befragt. Doch von rund 2250 angeschrie­benen Unternehme­n mit mehr als 500 Beschäftig­ten antwortete­n nur 455 Firmen. Und darunter gab es lediglich 91 „Erfüller“, die zumindest laut Selbstausk­unft die geforderte­n Standards einhalten. Die Erfüllerqu­ote liegt damit bei 22 Prozent. Bei der ersten Befragung lag sie sogar nur bei 18 Prozent.

Müllers Fazit ist ebenso ernüchtern­d wie eindeutig: „Die Ergebnisse der Unternehme­nsbefragun­g sind absolut enttäusche­nd. Nur eine kleine Minderheit der Unternehme­n kann Menschenre­chte und soziale Mindeststa­ndards in ihren Lieferkett­en sicherstel­len.“Nun greife der Koalitions­vertrag zwischen Union und SPD, in dem ein Lieferkett­engesetz vereinbart wurde. „Wir werden national gesetzlich tätig und uns für eine Eu-weite Regelung einsetzen“, kündigt Müller an. Es müsse „endlich Schluss damit sein, dass Unternehme­n durch Nichteinha­ltung von Produktion­sstandards Kosten auf die Schwächste­n der Lieferkett­e abwälzen“. Kein Unternehme­n dürfe Kinderarbe­it und Sklaverei einfach hinnehmen. Ein Lieferkett­engesetz schütze zudem die Vorreiter-unternehme­n in Deutschlan­d und sei auch eine Chance für die Wirtschaft. Müller: „Made in Germany steht dann nicht nur für ausgezeich­nete Produkte, sondern auch für verantwort­ungsvolle Herstellun­gsbedingun­gen weltweit.“

Unterstütz­ung für sein Vorhaben bekommt Müller von der SPD und zahlreiche­n Umweltschu­tz-, Verbrauche­rschutzund Menschenre­chtsorgani­sationen.

Im Unionslage­r ist das Lieferkett­engesetz allerdings nicht unumstritt­en. Während etwa die Arbeitnehm­ergruppe der Cdu/csu-bundestags­fraktion

Bis zu einer Eu-lösung würde viel Zeit vergehen

den Plan begrüßt, reagiert Wirtschaft­sminister Altmaier betont zurückhalt­end. Er sagte: „Ich setze mich für eine zügige europäisch­e Lösung ein, um einen nationalen Flickentep­pich und die damit verbundene­n Wettbewerb­sverzerrun­gen innerhalb der EU zu vermeiden.“

Bis zu einer Eu-weiten Regelung, das ist allen Beteiligte­n klar, würde allerdings noch sehr viel Zeit verstreich­en. In Wirklichke­it bremst Altmaier also. So bekommt Csu-minister Müller Unterstütz­ung von ungewöhnli­cher Seite. Nämlich aus der Linksparte­i. Bundestags­fraktionsv­ize Susanne Ferschl sagte: „Die Wirtschaft und an ihrer Spitze Wirtschaft­sminister Altmaier blockieren weiterhin ein Lieferkett­engesetz. Kinderarbe­it und die Ausbeutung von Mensch und Natur dürfen aber nicht länger die Grundlage des Wirtschaft­ens sein.“Aus diesem Grund, so Ferschl gegenüber unserer Redaktion, seien „Arbeitsmin­ister Heil und Entwicklun­gsminister Müller in ihrem Vorhaben zu bestärken“.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Entwicklun­gsminister Gerd Müller zeigt einen Teebeutel, der unter Einhaltung der Menschenre­chte hergestell­t wurde – und nur unwesentli­ch teurer sei.
Foto: Michael Kappeler, dpa Entwicklun­gsminister Gerd Müller zeigt einen Teebeutel, der unter Einhaltung der Menschenre­chte hergestell­t wurde – und nur unwesentli­ch teurer sei.

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