Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ausgesetzt: So geht es dem Findelkind heute
Mehr als 30 Stunden lag ein Säugling alleine in einer Wiese im Kreis Dillingen. Drei Wochen lang kämpften Ärzte um sein Leben – mit Erfolg. Heute, ein Jahr später, spricht ein Mediziner darüber, wie sich der Bub entwickelt hat
Dillingen Sein Leben, das gerade erst begonnen hatte, hing am seidenen Faden. Drei Wochen lang rang der ausgesetzte Säugling von Unterglauheim (Kreis Dillingen) auf der Intensivstation des Augsburger Uniklinikums mit dem Tod. Der Bub hatte direkt nach seiner Geburt mehr als 30 Stunden in einer Wiese gelegen. Die Sonne hatte die empfindliche Haut verbrannt, Zehen waren aufgrund der Kälte abgestorben, Tiere hatten ihn angeknabbert. Mindestens 20 verschiedene Keime stellten die Ärzte an und in seinem Körper fest, fünf verschiedene Antibiotika waren nötig, um eine Blutvergiftung in den Griff zu bekommen. Dazu kamen Austrocknung, Atemprobleme, Nierenversagen sowie ein drohendes Herzversagen. Trotz allem überlebte der Junge.
Seinen dramatischen Start ins Leben hat der Bub offenbar gut weggesteckt. „Er hat sich prima entwickelt“, sagt sein Kinderarzt heute, ein Jahr nach dem Vorfall, als Zeuge vor Gericht. Der Mutter wird derzeit wegen versuchten Totschlags der Prozess gemacht. Dem Findelkind gehe es laut Arzt „blendend“: „Er ist ein fröhlicher und glücklicher Junge.“Rückschläge habe es zuletzt keine gegeben. Zwei Mal sei der Bub wegen einer Infektion ins Krankenhaus gekommen, diese sind ausgestanden.
Insgesamt sei die Entwicklung etwas verzögert. Momentan könne er noch nicht selbstständig stehen und laufen. Doch dies sei alles im Rahmen, so der Mediziner. Ob der Bub wegen seiner drei amputierten Zehen Probleme beim Laufen bekommt, werde sich zeigen. „Er wächst so auf und wird das kompensieren“, ist der Arzt sicher. Er lobt die Pflegefamilie des Jungen: „Dort ist er gut aufgehoben.“Wie es mit dem Kind weitergeht, ist noch nicht absehbar. Bis es volljährig ist, könnte es in der Pflegefamilie bleiben. Auch eine Adoption komme infrage, sagt ein Sozialarbeiter des Dillinger Jugendamtes, der Vormund des Kindes ist.
Körperlich geht es dem Jungen gut. „Ob er je mit der Tatsache fertigwerden wird, dass seine Mutter ihn ausgesetzt hat, ist unklar“, gibt Thomas Junggeburth, der Staatsanwalt im Prozess, zu bedenken.