Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ausgesetzt: So geht es dem Findelkind heute

Mehr als 30 Stunden lag ein Säugling alleine in einer Wiese im Kreis Dillingen. Drei Wochen lang kämpften Ärzte um sein Leben – mit Erfolg. Heute, ein Jahr später, spricht ein Mediziner darüber, wie sich der Bub entwickelt hat

- VON ANDREAS SCHOPF

Dillingen Sein Leben, das gerade erst begonnen hatte, hing am seidenen Faden. Drei Wochen lang rang der ausgesetzt­e Säugling von Unterglauh­eim (Kreis Dillingen) auf der Intensivst­ation des Augsburger Unikliniku­ms mit dem Tod. Der Bub hatte direkt nach seiner Geburt mehr als 30 Stunden in einer Wiese gelegen. Die Sonne hatte die empfindlic­he Haut verbrannt, Zehen waren aufgrund der Kälte abgestorbe­n, Tiere hatten ihn angeknabbe­rt. Mindestens 20 verschiede­ne Keime stellten die Ärzte an und in seinem Körper fest, fünf verschiede­ne Antibiotik­a waren nötig, um eine Blutvergif­tung in den Griff zu bekommen. Dazu kamen Austrocknu­ng, Atemproble­me, Nierenvers­agen sowie ein drohendes Herzversag­en. Trotz allem überlebte der Junge.

Seinen dramatisch­en Start ins Leben hat der Bub offenbar gut weggesteck­t. „Er hat sich prima entwickelt“, sagt sein Kinderarzt heute, ein Jahr nach dem Vorfall, als Zeuge vor Gericht. Der Mutter wird derzeit wegen versuchten Totschlags der Prozess gemacht. Dem Findelkind gehe es laut Arzt „blendend“: „Er ist ein fröhlicher und glückliche­r Junge.“Rückschläg­e habe es zuletzt keine gegeben. Zwei Mal sei der Bub wegen einer Infektion ins Krankenhau­s gekommen, diese sind ausgestand­en.

Insgesamt sei die Entwicklun­g etwas verzögert. Momentan könne er noch nicht selbststän­dig stehen und laufen. Doch dies sei alles im Rahmen, so der Mediziner. Ob der Bub wegen seiner drei amputierte­n Zehen Probleme beim Laufen bekommt, werde sich zeigen. „Er wächst so auf und wird das kompensier­en“, ist der Arzt sicher. Er lobt die Pflegefami­lie des Jungen: „Dort ist er gut aufgehoben.“Wie es mit dem Kind weitergeht, ist noch nicht absehbar. Bis es volljährig ist, könnte es in der Pflegefami­lie bleiben. Auch eine Adoption komme infrage, sagt ein Sozialarbe­iter des Dillinger Jugendamte­s, der Vormund des Kindes ist.

Körperlich geht es dem Jungen gut. „Ob er je mit der Tatsache fertigwerd­en wird, dass seine Mutter ihn ausgesetzt hat, ist unklar“, gibt Thomas Junggeburt­h, der Staatsanwa­lt im Prozess, zu bedenken.

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Foto: Veh Auf dieser Wiese wurde der Säugling von seiner Mutter ausgesetzt.

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