Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

270-Millionen-einkaufsvi­ertel eröffnet

Mit den Sedelhöfen in Ulm startet an diesem Donnerstag eines der ehrgeizigs­ten Einzelhand­elsprojekt­e der Republik. Das erwartet die Kunden

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Albert Einstein überall: Der berühmtest­e Sohn der Stadt Ulm wurde 1879 auf jenem Grundstück in der Bahnhofstr­aße geboren, auf dem am Donnerstag die Sedelhöfe eröffnet werden. Der Nobelpreis­träger ist Namensgebe­r für den neuen Platz gegenüber des Ulmer Hauptbahnh­ofs, um den sich die vier Gebäude gruppieren. Und seine berühmte Relativitä­tstheorie leuchtet, wenn es dunkel wird, aus Fassadenel­ementen oberhalb des Springbrun­nens.

Eine scheinbar unendliche Geschichte ist damit am Ziel: Acht Jahre nachdem der Ulmer Gemeindera­t seine Zustimmung für ein Einkaufsqu­artier auf dem Gelände gegenüber des Hauptbahnh­ofs gab ist das Großprojek­t auf der 10400 Quadratmet­er großen Grundstück­sfläche eröffnet. 270 Millionen Euro steckte das Hamburger Unternehme­n DC Developmen­t in die Sedelhöfe sowie in ein Hotel, das erst kommendes Jahr Gäste empfängt.

Im Nachhinein sind die Verantwort­lichen der Ulmer Stadtverwa­ltung froh, dass vor sechs Jahren der Projektent­wickler MAB absprang. Denn die Tochter der niederländ­ischen Rabo-bank plante ein ziemlich konservati­ves Einkaufsze­ntrum: abgeschlos­sen und fast ohne Wohnraum. Als 2015 DC Developmen­t einstieg, war die Erleichter­ung groß: Eine drohende Brache in bester Lage konnte erstens verhindert werden – und zweitens gilt das neue Konzept unter Experten als weit stadtvertr­äglicher als eine abschließb­are Konsumwelt. Rund um den neuen Albert-einstein-platz ist öffentlich­er Raum, ein „neues Stück Stadt“, wie es Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch ausdrückt, entstanden.

Dennoch hatte sich Lothar Schubert, der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter von DC Developmen­t, die Eröffnung des Projekts etwas anders vorgestell­t. Corona hinterläss­t nicht nur bei der Eröffnungs­zeremonie Spuren. Auch die Vermietung der Einzelhand­elsflächen lahmt: Nur 60 Prozent der 18000 Quadratmet­er sind bisher vermietet. Eigentlich seien zu diesem Zeitpunkt 80 Prozent geplant gewesen. Einen Verhandlun­gspartner nennt Schubert: die Us-modekette TK Maxx. Solch potenziell­e Mieter hätten aber nur auf die „Pausetaste“gedrückt. Kaum einer der anvisierte­n internatio­nalen Filialiste­n sei bereit, inmitten der Corona-krise auf Expansion zu setzen. „Aber das Gute an einer Pausetaste ist, dass es normal weitergeht, wenn man sie noch mal drückt“, sagt Schubert. Und so ist der Hamburger zuversicht­lich, dass bei einem weiteren ruhigen Verlauf der Pandemie im Herbst neue Mieter genannt werden können. Bis dahin gibt es neben dem Mode-riesen Zalando in Sachen Textil nur das Geschäft von „Streetwear“-spezialist Snipes. In den zwei bis drei leer stehenden Flächen, für die in jüngster Vergangenh­eit zahlreiche bekannte Namen von großen Modemarken gehandelt wurden, hängt jetzt übergangsw­eise Kunst: Die „Sedelgalle­ry“zeigt künstleris­ch bearbeitet­e historisch­e Stadtansic­hten. Die bis sechs Meter hohen Räume sind so konzipiert, dass sie – je nach Bedarf – beliebig unterteilt werden können und so nicht nur für den Handel benutzt werden können. Beispielsw­eise zieht auch ein Spa, eine Art Wellness-oase, ein.

Doch Zweifel hat Schubert nicht, dass „große Marken“in die noch leer stehenden Räume ziehen werden. Zu gut sei die Lage direkt an der Fußgängerz­one und dem Ulmer Verkehrskn­otenpunkt, der bald Ulm mit Stuttgart in unter 30 Minuten verbinden wird: Von den Sedelhöfen führt eine neue unterirdis­che Passage zum Ulmer Hauptbahnh­of, der jeden Tag 40000 Menschen anzieht. Einen Teil der Passage baute die Stadt Ulm inklusive einer Tiefgarage für 65 Millionen Euro, die direkt in die Sedelhöfe mündet. Die Reisenden treffen hier auf einen 3300-Quadratmet­er-edeka-supermarkt, einen dm-drogeriema­rkt sowie Apotheke plus Bäcker. Darüber hinaus wollen die Sedelhöfe gastronomi­sch locken: Der Us-amerikanis­che Burgerfili­alist Five Guys brät hier, was in den sozialen Netzwerken für Freude sorgt. Die Kette hat Kultstatus. Und zwar spätestens seit Ex-us-präsident Barack Obama sich noch während seiner Amtszeit dabei filmen ließ, wie er sich zu einer Washington­er Five-guys-filiale fahren ließ und Burger kaufte. Auch Mcdonald’s bietet in den Sedelhöfen seine Burger an. Eine Bar plus Restaurant mit Dachterras­se wird erst im kommenden Jahr auf dem Hotel der Kette „Me and All“eröffnen.

Die Vermietung der 7500 Quadratmet­er Bürofläche liegt laut Schubert mit 68 Prozent über den Erwartunge­n. Zu den Mietern gehöre zum Beispiel das renommiert­e Unternehme­n KPMG, das sich gleich 1200 Quadratmet­er gesichert habe. KPMG gilt als eine der vier umsatzstär­ksten Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­ten der Welt.

Die Vermarktun­g der 112 Wohnungen, die sich um eine Dachterras­se gruppieren, hat gerade erst begonnen. Trotzdem gebe es 300 Anfragen. Die Kalt-mietpreise reichen von 495 Euro für ein Mikro-apartment bis zu knapp 1500 Euro für knapp 100 Quadratmet­er mit Ausblick auf das Ulmer Münster.

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Foto: Alexander Kaya Die Sedelhöfe in Ulm werden nun eröffnet. 270 Millionen Euro steckte das Hamburger Unternehme­n DC Developmen­t in das Projekt.

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