Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
270-Millionen-einkaufsviertel eröffnet
Mit den Sedelhöfen in Ulm startet an diesem Donnerstag eines der ehrgeizigsten Einzelhandelsprojekte der Republik. Das erwartet die Kunden
Ulm Albert Einstein überall: Der berühmteste Sohn der Stadt Ulm wurde 1879 auf jenem Grundstück in der Bahnhofstraße geboren, auf dem am Donnerstag die Sedelhöfe eröffnet werden. Der Nobelpreisträger ist Namensgeber für den neuen Platz gegenüber des Ulmer Hauptbahnhofs, um den sich die vier Gebäude gruppieren. Und seine berühmte Relativitätstheorie leuchtet, wenn es dunkel wird, aus Fassadenelementen oberhalb des Springbrunnens.
Eine scheinbar unendliche Geschichte ist damit am Ziel: Acht Jahre nachdem der Ulmer Gemeinderat seine Zustimmung für ein Einkaufsquartier auf dem Gelände gegenüber des Hauptbahnhofs gab ist das Großprojekt auf der 10400 Quadratmeter großen Grundstücksfläche eröffnet. 270 Millionen Euro steckte das Hamburger Unternehmen DC Development in die Sedelhöfe sowie in ein Hotel, das erst kommendes Jahr Gäste empfängt.
Im Nachhinein sind die Verantwortlichen der Ulmer Stadtverwaltung froh, dass vor sechs Jahren der Projektentwickler MAB absprang. Denn die Tochter der niederländischen Rabo-bank plante ein ziemlich konservatives Einkaufszentrum: abgeschlossen und fast ohne Wohnraum. Als 2015 DC Development einstieg, war die Erleichterung groß: Eine drohende Brache in bester Lage konnte erstens verhindert werden – und zweitens gilt das neue Konzept unter Experten als weit stadtverträglicher als eine abschließbare Konsumwelt. Rund um den neuen Albert-einstein-platz ist öffentlicher Raum, ein „neues Stück Stadt“, wie es Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch ausdrückt, entstanden.
Dennoch hatte sich Lothar Schubert, der geschäftsführende Gesellschafter von DC Development, die Eröffnung des Projekts etwas anders vorgestellt. Corona hinterlässt nicht nur bei der Eröffnungszeremonie Spuren. Auch die Vermietung der Einzelhandelsflächen lahmt: Nur 60 Prozent der 18000 Quadratmeter sind bisher vermietet. Eigentlich seien zu diesem Zeitpunkt 80 Prozent geplant gewesen. Einen Verhandlungspartner nennt Schubert: die Us-modekette TK Maxx. Solch potenzielle Mieter hätten aber nur auf die „Pausetaste“gedrückt. Kaum einer der anvisierten internationalen Filialisten sei bereit, inmitten der Corona-krise auf Expansion zu setzen. „Aber das Gute an einer Pausetaste ist, dass es normal weitergeht, wenn man sie noch mal drückt“, sagt Schubert. Und so ist der Hamburger zuversichtlich, dass bei einem weiteren ruhigen Verlauf der Pandemie im Herbst neue Mieter genannt werden können. Bis dahin gibt es neben dem Mode-riesen Zalando in Sachen Textil nur das Geschäft von „Streetwear“-spezialist Snipes. In den zwei bis drei leer stehenden Flächen, für die in jüngster Vergangenheit zahlreiche bekannte Namen von großen Modemarken gehandelt wurden, hängt jetzt übergangsweise Kunst: Die „Sedelgallery“zeigt künstlerisch bearbeitete historische Stadtansichten. Die bis sechs Meter hohen Räume sind so konzipiert, dass sie – je nach Bedarf – beliebig unterteilt werden können und so nicht nur für den Handel benutzt werden können. Beispielsweise zieht auch ein Spa, eine Art Wellness-oase, ein.
Doch Zweifel hat Schubert nicht, dass „große Marken“in die noch leer stehenden Räume ziehen werden. Zu gut sei die Lage direkt an der Fußgängerzone und dem Ulmer Verkehrsknotenpunkt, der bald Ulm mit Stuttgart in unter 30 Minuten verbinden wird: Von den Sedelhöfen führt eine neue unterirdische Passage zum Ulmer Hauptbahnhof, der jeden Tag 40000 Menschen anzieht. Einen Teil der Passage baute die Stadt Ulm inklusive einer Tiefgarage für 65 Millionen Euro, die direkt in die Sedelhöfe mündet. Die Reisenden treffen hier auf einen 3300-Quadratmeter-edeka-supermarkt, einen dm-drogeriemarkt sowie Apotheke plus Bäcker. Darüber hinaus wollen die Sedelhöfe gastronomisch locken: Der Us-amerikanische Burgerfilialist Five Guys brät hier, was in den sozialen Netzwerken für Freude sorgt. Die Kette hat Kultstatus. Und zwar spätestens seit Ex-us-präsident Barack Obama sich noch während seiner Amtszeit dabei filmen ließ, wie er sich zu einer Washingtoner Five-guys-filiale fahren ließ und Burger kaufte. Auch Mcdonald’s bietet in den Sedelhöfen seine Burger an. Eine Bar plus Restaurant mit Dachterrasse wird erst im kommenden Jahr auf dem Hotel der Kette „Me and All“eröffnen.
Die Vermietung der 7500 Quadratmeter Bürofläche liegt laut Schubert mit 68 Prozent über den Erwartungen. Zu den Mietern gehöre zum Beispiel das renommierte Unternehmen KPMG, das sich gleich 1200 Quadratmeter gesichert habe. KPMG gilt als eine der vier umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt.
Die Vermarktung der 112 Wohnungen, die sich um eine Dachterrasse gruppieren, hat gerade erst begonnen. Trotzdem gebe es 300 Anfragen. Die Kalt-mietpreise reichen von 495 Euro für ein Mikro-apartment bis zu knapp 1500 Euro für knapp 100 Quadratmeter mit Ausblick auf das Ulmer Münster.