Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pretenders sind wieder da

Das elfte Album seit 1979: „Hate For Sale“

- VON STEFFEN RÜTH

Tennis hat Chrissie Hynde, geboren in Akron/ohio und seit Jahrzehnte­n ansässig in London, zwar im Laufe ihrer nunmehr 68 Lebensjahr­e noch nie gespielt. Aber mit John, Nachname Mcenroe und eine der größten Legenden seiner Sportart überhaupt, ist sie nichtsdest­otrotz seit langem befreundet. „Er hat eine unglaublic­he Sensibilit­ät für traditione­lle Rockmusik“, so Hynde. „Wenn John etwas geil findet, dann ist es auch geil.“

Dem Urteil des Experten kann man sich gefahrlos anschließe­n. „Hate For Sale“, das elfte Studioalbu­m der Pretenders, hat unerwartet scharfe Zähne und klare musikalisc­he Konturen. Nach ein paar Platten, die Hynde mit Leihmusike­rn oder im Alleingang aufnahm – wie ihren letztjähri­gen Quasi-jazzausflu­g „Valve Bone Woe“–, hat sich die durch jahrelange­s Touren bestens eingespiel­te Truppe um Hynde, den Gitarriste­n James Walbourne (mit dem Chrissie die meisten der neuen Lieder während eines dreiwöchig­en Frankreich-aufenthalt­s schrieb) und Schlagzeug­er Martin Chambers nun auch endlich im Studio zusammen eingefunde­n.

An den Aufnahme-reglern saß dabei Stephen Street, den man von seiner Arbeit mit The Smiths, Blur und vielen anderen bestens kennt, und der auch mit den Pretenders schon mehrere Male, zuletzt allerdings in den Neunzigern, gearbeitet hat.

„Über allem stand bei dieser Platte die Maxime, dass wir Spaß haben wollten“, erklärt Chrissie Hynde. „Ich habe drei Alben ohne meine Jungs gemacht, eins mit Björn Yttling in Stockholm, eins mit Dan Auerbach in Nashville, aber diese aufwendige­n Produktion­en mit den weiten Reisen und den hohen Kosten passen nicht mehr in die heutige Zeit. Daher war es mein Wunsch, dieses Mal alles auf den Kern zu reduzieren, ein bisschen so wie damals zu Beginn.“

Es folgt an dieser Stelle des Telefonint­erviews, das Hynde von ihrem Londoner Stadtappar­tement aus gibt, in dem sie die vergangene­n Wochen vorwiegend malend und mit dem Hören der neuen Songs ihres Lieblingsk­ünstlers Bob Dylan verbrachte, ein längerer Exkurs zur Überflüssi­gkeit von Autos, Flugreisen und Fleischess­en. Chrissiehy­nde ist bei diesen Themen durchaus dogmatisch, wenn auch bei den ersten beiden nicht sehr konsequent. Sie fahre einen Kleinwagen aus deutscher Produktion, und wenn sie, so wie unlängst, als Einheizer für Phil Collins durch südamerika­nische Stadien tourt, dann fährt sie dort nicht mit dem Heißluftba­llon hin.

In jedem Fall überträgt sich der Spaß, den die streitbare Frontfrau beim Machen hatte, auch auf die Hörer von „Hate For Sale“, das textlich übrigens mit Trump, Brexit und dem ganzen anderen Käse nichts zu tun hat, sondern sich eher auf persönlich­e Betrachtun­gen stereotype­r Typen konzentrie­rt. An die Frühwerksk­lassiker wie „Back On The Chain Gang“, „Brass In Pocket“und „Hymn To Her“ist zwar für die Pretenders auch nach gut 40 Jahren Bandhistor­ie kein Herankomme­n.

Doch ob nun knackiger Rock („Hate For Sale“), Reggae („Lightning Man“), Old-school-r&b-balladen („You Can’t Hurt A Fool“) und traurig-schöne Balladen („Crying In Public“): Diese auf zehn Songs verteilte knappe halbe Stunde vergeht, sorry Chrissie, wie im Fluge.

 ??  ?? The Pretenders: Hate For Sale (Bmg/warner)
The Pretenders: Hate For Sale (Bmg/warner)

Newspapers in German

Newspapers from Germany