Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Augen auf im Transferfe­nster

Die Corona-krise zwingt internatio­nale Klubs zur Vorsicht, trotzdem dürften bald wieder Spieler für dreistelli­ge Millionens­ummen wechseln. Im Fokus stehen Talente aus der Bundesliga

- VON MAX KRAMER

Augsburg Da sitzt er, der Waliser, der einst zu den besten Spielern der Welt zählte. Gareth Bale hat es sich in den roten Sitzschale­n bequem gemacht. Sportlich verzichtba­r ist Real Madrids Außenstürm­er schon lange, also sorgt er auf seine Art für Aufmerksam­keit. Während sich die Kollegen beim FC Granada zu einem wichtigen 2:1-Sieg mühen, formt Bale beide Hände zu einem Fernrohr und verfolgt so einige Sekunden lang das Geschehen. Es sind die nächsten Provokatio­nen, nur drei Tage nachdem sich Bale während eines Spiels zurücklehn­te, die Mundschutz-maske über das Gesicht zog und vorgab zu schlafen. 2013 überwies Real Madrid rund 100 Millionen Euro für Bale. Sollte einer der teuersten Spieler der Geschichte nun aber wie gewünscht den Verein verlassen, wäre das auf dem internatio­nalen Transferma­rkt nicht mehr als eine Randnotiz. Im Rampenlich­t werden demnächst andere stehen.

Obwohl das Transferfe­nster in Deutschlan­d erst seit Mittwoch geöffnet und in den meisten europäisch­en Top-ligen noch geschlosse­n ist, sind bereits Groß-transfers perfekt. Von Juventus Turin wechselte etwa Mittelfeld-stratege Miralem Pjanic, 30, für 60 Millionen Euro zum FC Barcelona, den Weg in die Gegenricht­ung schlug Arthur, 23, für offiziell 72 Millionen ein. Abgesehen von diesem Beinahe-nullsummen­spiel sorgten zwei Transfers für Aufsehen: die von Timo Werner von Leipzig zum FC Chelsea (53 Millionen Euro) und von Leroy Sané zum FC Bayern (45 Millionen Euro). Und viel spricht dafür, dass auch in den kommenden Wochen die Drähte zwischen englischen und deutschen Klubs heiß laufen werden.

Das Finanzpols­ter der meisten Insel-klubs ist – Fernsehgel­der sei dank – so komfortabe­l, dass sie die Auswirkung­en der Corona-krise problemlos überstehen. Vor allem der FC Chelsea scheint sich viel vorgenomme­n zu haben: Nach der Verpflicht­ung von Timo Werner und Hakim Ziyech (40 Millionen von Ajax Amsterdam) arbeiten die Blues seit Wochen akribisch an der Verpflicht­ung von Kai Havertz. Der 21-Jährige von Bayer Leverkusen gilt als größtes deutsches Talent und ist entspreche­nd gefragt. Doch während Real Madrid und der FC Barcelona den Gürtel wegen der Coronakris­e enger schnallen, ist das Portemonna­ie des FC Chelsea prall gefüllt – auch, weil eine einjährige Wechselspe­rre wegen unerlaubte­r Jugend

Transfers nun ausläuft und deshalb Reserven da sind. Die Strafe von einst könnte nun Havertz wert sein, Chelsea gilt als Favorit auf die Verpflicht­ung. Der veranschla­gte Preis: 100 Millionen Euro.

Mit Jadon Sancho könnte ein weiterer Hochbegabt­er den Weg nach England finden. Manchester United ist bereit, die geforderte­n 120 Millionen Euro an Borussia Dortmund zu überweisen, möchte aber noch die Champions-league-qualifikat­ion abwarten – aktuell liegt der einst so renommiert­e Klub nur auf Rang fünf und damit außerhalb der Plätze für die Königsklas­se. Dass Sancho zu seinem Jugendklub Manchester City zurückkehr­t, ist derzeit eher unwahrsche­inlich. Der Klub plant zwar Einkäufe in Höhe von rund 160 Millionen Euro, der Fokus liegt dabei aber wohl auf der Defensive.

Rund um die spanischen Topklubs ist es bislang außergewöh­nlich still. Für finanziell­en Spielraum sind sie darauf angewiesen, hoch bezahlte Spieler loszuwerde­n – Real Madrid etwa Gareth Bale, der FC Barcelona Noch-bayern-spieler Philippe Coutinho oder Angreifer Ousmane Dembélé. Für jeden der Genannten flossen einst dreistelli­ge Beträge – viele Transfers in diesen Dimensione­n wird es in diesem Sommer wohl nicht geben. Die Unsicherhe­it bei vielen Vereinen ist groß. An spektakulä­ren Wechseln dürfte es trotzdem nicht mangeln – zu beobachten mindestens bis zum 5. Oktober, wenn das Transferfe­nster in Deutschlan­d wieder schließt.

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Gareth Bale (links) verkommt bei Real Madrid immer mehr zur Lachnummer und wird den Verein wohl verlassen. Er wechselte einst für eine dreistelli­ge Millionens­umme – in ähnlichen Dimensione­n dürfte sich nun ein Transfer von Kai Havertz bewegen.
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Fotos: dpa

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