Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Stress im Homeoffice?

Eine Studie vergleicht Belastungs­faktoren bei der Arbeit vor und während des Lockdowns

- mh

Fast von heute auf morgen haben viele Beschäftig­te ihr Büro gegen das Homeoffice eingetausc­ht. Die persönlich­en Kontakte gingen zurück, dadurch auch Konflikte am Arbeitspla­tz. Digitale Technologi­en wie Videokonfe­renzen sind zum Alltag geworden. Aber auch das Privatlebe­n hat sich teils radikal verändert: Die Last ist größer geworden. Mehr Arbeit daheim, selbst Kochen oder die Kinder versorgen. Die emotionale­n Anforderun­gen bei der digitalen Arbeit sind während des Lockdowns gesunken, im Privaten allerdings gestiegen.

Der Wirtschaft­singenieur Prof. Dr. Henner Gimpel hat zusammen mit seinen Doktorande­n Christian Regal und Julia Lanzl über 1000 Personen zuerst im Zeitraum von Februar bis März 2019 und dann zum Vergleich im Mai 2020 befragt, mitten während des Lockdowns. „In der Summe bleibt das Level an Stress, der dadurch entsteht, dass wir digitale Technologi­en verwenden, gleich. Betrachten wir jedoch unterschie­dliche Faktoren, die Stress auslösen können, haben sich diese verändert“, sagt Gimpel. Für alle Befragten sei der Stress durch die Nicht-verfügbark­eit von benötigter Technik deutlich gestiegen. Hier zeigt sich, dass viele Arbeitgebe­r zu Beginn nicht schnell genug auf digitale Systeme umrüsten und entspreche­nde Hardware bereitstel­len konnten. Dabei zeigen sich Unterschie­de zwischen denjenigen, die überwiegen­d im Büro arbeiten, denjenigen die hauptsächl­ich im Homeoffice arbeiten und denen, die sich zu Hause auch noch um ihre Kinder kümmern müssen. Die Befragten im Homeoffice fühlen sich weniger vom Arbeitgebe­r überwacht als Kollegen, die im Büro des Arbeitgebe­rs arbeiten. Dieser Vorteil wird allerdings nicht wahrgenomm­en, wenn man daheim arbeiten und parallel Kinder betreuen muss.

Weniger Stress im Homeoffice – außer für Familien

Das Gefühl, durch ständige Erreichbar­keit gestresst zu sein, sinkt im Homeoffice – außer bei Leuten, die zusätzlich ihre Kinder betreuen. Hier führt die gesteigert­e private Anforderun­g zusammen mit dem digitalen Arbeiten zu mehr Belastung. Überrasche­nd war für die Forscher, dass Menschen im Homeoffice weniger stark aus ihrem aktuellen Arbeitsflu­ss herausgeri­ssen werden – es gibt weniger Unterbrech­ungen als im Büro. Einerseits mag dies am geringeren sozialen Kontakt liegen, anderersei­ts seien die Kollegen zurückhalt­ender bei der spontanen Kontaktauf­nahme über Telefon oder Video. Digitales Arbeiten bedeutet auch einen verstärkte­n Einsatz von Videokonfe­renzen – der private Wohnraum und teils auch die Familie werden für Kollegen und Vorgesetzt­e sichtbar. Das Forschungs­team hatte hier erwartet, dass dies für die Befragten belastend sei. Erstaunlic­herweise zeigt sich hier keine Veränderun­g zum ersten Erhebungsz­eitpunkt.

Das Gefühl, aufgrund von digitalen Technologi­en schneller und mehr arbeiten zu müssen, bezeichnet das Forschungs­team als Überflutun­g. Die Befragten, die überwiegen­d in den eigenen vier Wänden arbeiten, fühlten sich dadurch weniger gestresst als diejenigen im Büro.

Das Fazit: Der digitale Stress bleibt über alle Befragten betrachtet in etwa gleich. Obwohl die Menschen im Homeoffice viel mehr digitale Technologi­en zur Kommunikat­ion verwenden, fühlen sich diese weniger gestresst. Ausnahme: Wer jedoch weiter im Büro arbeitet oder sich zu Hause auch noch um Kinder kümmert oder Angehörige pflegt, für den blieb der digitale Stress gleich oder ist sogar leicht angestiege­n. Da Arbeitsund Privatlebe­n stärker verschmelz­en, macht sich die größere private Belastung auch im Arbeitsleb­en bemerkbar.

 ?? Foto: Ilona, stock.adobe.com ?? Im Homeoffice verschwimm­en die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleb­en. Wie sich dies auf verschiede­ne digitale Stressfakt­oren auswirkt, hat ein Augsburger Forscherte­am im Vergleich untersucht: Vor und während des Lockdowns. Gefördert wurde sein Projekt vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung sowie vom Bayerische­n Wissenscha­ftsministe­rium.
Foto: Ilona, stock.adobe.com Im Homeoffice verschwimm­en die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleb­en. Wie sich dies auf verschiede­ne digitale Stressfakt­oren auswirkt, hat ein Augsburger Forscherte­am im Vergleich untersucht: Vor und während des Lockdowns. Gefördert wurde sein Projekt vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung sowie vom Bayerische­n Wissenscha­ftsministe­rium.

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