Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Corona schafft neue Erkenntnisse
Prof. Dr. Michael Bittner und sein Team erforschen die Auswirkung des Covid19-lockdowns auf die Luftqualität
Am 12. März kam der Lockdown und das öffentliche Leben wurde heruntergefahren. Für mehrere Wochen herrschte Stillstand, die eigenen vier Wände wurden zum Lebensmittelpunkt, den man nur für die Arbeit oder den Einkauf verließ. Plötzlich war eine Situation geschaffen, die unter normalen Bedingungen nie entstanden wäre. Für das Forschungsteam um Prof. Dr. Michael Bittner ein Glücksfall.
„Aus wissenschaftlicher Sicht bot sich die Gelegenheit, den Einfluss dieses Lockdowns auf die Stickstoffdioxid-belastung, kurz NO2, zu untersuchen“, erklärt Michael Bittner. Bereits seit drei Jahren gibt es in seinem Bereich Forschungsarbeiten, die sich mit der Frage beschäftigen, wie sehr die Umwelt unsere Gesundheit beeinflusst. Umweltstressoren, wie beispielsweise Hitzeperioden oder Schadstoffe, nehmen kontinuierlich Einfluss auf den Organismus. Je nachdem, wie hoch die Konzentration ist, desto schlechter ist es für den Menschen. Es wurde ein bioklimatisches Informationssystem für das Gebiet Bayerns und den Alpenraum entwickelt, das für jeden Landkreis tagesaktuell und mit einer Prognose für die kommenden zwei Tage Auskunft über Temperatur, Wind und Luftdruck sowie über die Schadstoffbelastung durch NO2, Ozon und Feinstaub gibt. Darüber hinaus gibt das System auch täglich Auskunft über die Auswirkung des Umweltzustands auf das menschliche Wohlbefinden. Das Informationssystem ist über das Internet frei zugänglich (https://www.alpendac.eu/ landkreis-tool).
Die Grundlage für diesen Service bildet insbesondere ein Computermodell, mit dessen Hilfe, die Entwicklung der
Luftqualität berechnet werden kann. „In unserem Projekt Josefina wurde in Kooperation zwischen der Universität Augsburg und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt über drei Jahre hinweg mithilfe von Satelliten und Messstationen Daten gesammelt“, erklärt Bittner. „Dank dieser konnte wir ein Modell erstellen, das eine Normalität widerspiegelt, die es ohne Corona gegeben hätte.“Modell und tatsächliche Wirklichkeit konnten so miteinander verglichen werden und es kristallisierte sich ein Rückgang der No2-belastung um circa 30 bis 40 Prozent heraus – und zwar länderübergreifend. Während des Covid19-lockdowns nahm also der Emissionsausstoß stark ab. „Wir haben Werte in mehreren europäischen Städten und Regionen erhoben. Besonders deutlich ist der Effekt etwa in München oder auch in der Lombardei“, erklärt Bittner. „Wir gehen davon aus, dass die Abnahme der Emissionen hauptsächlich auf den starken Rückgang des täglichen Autound Lkw-verkehrs zurückzuführen ist. Dieser kam mit dem Lockdown zum Erliegen“, so das Resümee Bittners.
Mit diesem Wissen soll das bioklimatische Informationssystem nun weiterentwickelt werden, sodass bei einer möglichen nächsten Pandemie frühzeitig Krisenmanagement betrieben und so eine flächenhafte Ausbreitung gestoppt werden kann.
So gibt es Hinweise darauf, dass Menschen in Regionen mit schlechter Luftqualität besonders gefährdet auch für coronaartige Pandemien sind. Wir können sagen, wie hoch die Schadstoffbelastungen für einzelne Regionen sind. Sozioökologische Daten geben dann an, wo gefährdete Menschen aus Risikogruppen leben. Die Kombination aus beidem soll in der Zukunft dazu beitragen, besonders gefährdete Regionen früh zu erkennen und Seuchenausbreitungsszenarien gezielter zu berechnen, sodass zum Beispiel Krankenhäuser punktuell aufgerüstet und mit Material versorgt oder gezielter kontakteinschränkende Maßnahmen getroffen werden können, so Bittner.
Weitere Infos im Internet
www.alpendac.eu