Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tüll und Tränen

Wie Rituale rund um Brautkleid­er erforscht werden

- mh

Es heißt, man spüre es, wenn das richtige Brautkleid seinen Weg zur zukünftige­n Braut gefunden hat. „Wenn die Tränen kommen, dann ist es das richtige Kleid“, meint eine Brautmoden­verkäuferi­n, „und, wenn alle zufrieden sind“. Denn der Kauf des Kleides wird zelebriert – oft gemeinsam mit der Mutter und den Trauzeug*innen – manchmal aber auch mit den Schwiegere­ltern. „Brautkleid­er sind meist teuer, der Kauf wird lange vorbereite­t, das Beratungst­eam wird oft wohlüberle­gt von der zukünftige­n Braut zusammenge­stellt. In Brautmoden­geschäften gibt es einen strukturie­rten Ablauf für den Kauf, der sich klar vom Einkauf der Alltagskle­idung abhebt“, sagt die Ethnologin Ina Hagen-jeske.

Sie erforscht den ritualisie­rten Umgang rund um das feierliche Kleidungss­tück und hat Interviews mit ehemaligen Bräuten geführt, Hochzeitsm­essen

besucht und mit Verkäuferi­nnen gesprochen, um die verschiede­nen Besonderhe­iten zu sammeln und auszuwerte­n. „Keine meiner bisherigen Gesprächsp­artnerinne­n hat hinterfrag­t, dass das Kleid für die zumeist kirchliche Trauung beziehungs­weise das große Hochzeitsf­est weiß sein musste“.

Das Brautkleid und die Rituale drumherum seien Teil einer Verwandlun­g. „Der Anblick des richtigen Kleides ist für manche fast schon ein der Hochzeit vorgezogen­es Übergangsr­itual“, sagt Hagenjeske. Also der Moment, bei dem die Frau im Mittelpunk­t steht, sich erstmals als Braut begreift und sich außergewöh­nlich fühlt. Man spreche auch vom Aha- oder Cinderella-effekt. „Ich habe auch mit Frauen gesprochen, die immer auf diesen Aha-effekt gewartet haben, der ihnen vom Umfeld angekündig­t wurde. Aber er kam zu ihrer Enttäuschu­ng nicht“, so Hagen-jeske . Interessan­t war auch, dass Frauen, die sonst nie Kleider tragen, sich bei ihrer Hochzeit sehr weiblich kleiden. Dadurch bestätigen sie das Außeralltä­gliche von Ritualen. „Es ist eine Inszenieru­ng von Weiblichke­it. Welche Art von Frau will ich an diesem außergewöh­nlichen Tag sein?“, meint Hagenjeske.

Das Brautkleid als Glücksbrin­ger

Auch nach der Hochzeit sind bestimmte Rituale erkennbar. Das zeigt sich bereits beim Aufbewahre­n als Erinnerung­sstück in einer speziellen Box oder im Kleidersac­k. Eher selten wird es weitergege­ben oder verkauft. Eine der befragten Frauen hat nach der Scheidung überlegt, ob sie das Stück überhaupt verkaufen soll, da es ihr „ja kein Glück gebracht habe“. „Das zeigt auch, welche Hoffnungen

mit der Wahl des ‚richtigen Brautkleid­es’ verbunden sind. Es kann dieser Vorstellun­g nach Einfluss auf die zukünftige Ehe haben“, meint Hagen-jeske. Spannend ist auch die Frage, ob der Verlobte das Kleid vor der Trauung sehen dürfe. Das hängt unter anderem auch vom kulturelle­n Kontext der Paare ab. So ist es bei Paaren mit Bezügen zur Türkei üblich, dass die Seite des zukünftige­n Bräutigams die Kosten des Kleides übernimmt. Deshalb war es einer der Befragten wichtig, dass ihr Verlobter beim Kauf dabei ist.

„Weiter interessie­rt mich, wie das Brautkleid und der ritualisie­rte Umgang je nach religiösen Bezügen oder kulturelle­n Kontexten der Ehepartner oder deren Eltern variieren. Oder wie es bei homosexuel­len Paaren ist“, beschreibt Hagenjeske ihr weiteres Forschungs­vorhaben.

 ?? Foto: Anastasia, stock.adobe.com ?? Welche Rituale sich rund um das Brautkleid etabliert haben und wie Frauen ihre Brautkleid-suche wahrnehmen, untersucht Dr. Ina Hagen-jeske von der Universitä­t Augsburg.
Foto: Anastasia, stock.adobe.com Welche Rituale sich rund um das Brautkleid etabliert haben und wie Frauen ihre Brautkleid-suche wahrnehmen, untersucht Dr. Ina Hagen-jeske von der Universitä­t Augsburg.

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