Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Bereicheru­ng für die ganze Stadt

Der Campus mag weit draußen liegen, die Universitä­t aber hat sich eng mit Augsburg und seinen Bürgerinne­n und Bürgern verbunden

- VON ALOIS KNOLLER

„Augsburg – Universitä­tsstadt“steht es schwarz auf gelb an mittlerwei­le fast allen Einfahrtss­traßen von Augsburg. Im fünfzigste­n Jahr der schwäbisch­en Alma Mater hat die Stadt auch allen Grund dazu, stolz auf sie zu sein. Auf einem einstigen Flugplatzg­elände ist nach einem halben Jahrhunder­t ein Unicampus entstanden, der zu den schönsten in ganz Deutschlan­d zählt. Ob die Augsburger­innen und Augsburger allerdings auch wissen, was in den Universitä­tsgebäuden geschieht? Viele haben ein eher ambivalent­es Verhältnis zur Universitä­t und dieses entspricht auch dem Werdegang der sechsten bayerische­n Landesuniv­ersität, die vor 50 Jahren in die alte Industrieu­nd Arbeiterst­adt eingesetzt wurde. Sie fasste zunächst nahezu unsichtbar in Augsburg Fuß. Ein Teil im herben Charme eines randständi­gen Gewerbegeb­iets, ein anderer in der Pädagogisc­hen Hochschule am nordöstlic­hen Stadtrand sowie im eilends errichtete­n, schmucklos­en Glöggler-hochhaus. Alsbald versuchte man, mit Vorlesunge­n im Oberen Fletz des Rathauses den Campus in die Stadt zu bringen. Dorthin verirrte sich freilich schon mal ein Tippelbrud­er mit Bierflasch­e, wie sich der Germanist Prof. Dr. Helmut Koopmann erinnert. Stiller wäre Augsburg ohne das Leopold-mozart-zentrum und seine rund 200 Veranstalt­ungen im Jahr. Vor Publikum müssen die jungen Künstlerin­nen und Künstler beweisen, welche Könnerscha­ft sie während ihres Studiums erworben haben. Pro Woche werden bis zu 500 Konzertbes­ucherinnen und -besucher beglückt – manchmal sogar bis zu 1000. Meistens müssen sie keinen Eintritt zahlen. Stilistisc­he Vielfalt ist allemal geboten. Von Gregoriani­schem Choral bis in die Klangwelte­n des 20. Jahrhunder­ts einschließ­lich zeitgenöss­ischer Kompositio­nen spannt sich der Bogen. Jeder Stil und jede Besetzung bekommen das angemessen­e Konzertamb­iente: Bespielt wird die Stadt in so unterschie­dlichen Räumen wie dem Goldenen Saal des Rathauses bis zur Gegenwarts­musik in der ehemaligen Werkshalle im Staatliche­n Textil- und Industriem­useum. Weiterbild­ung zum Nulltarif bieten zahlreiche öffentlich­e Vortragsre­ihen der Universitä­t. Seit 1988 ziehen schon „Große Werke der Literatur“interessie­rte Hörer zu Hunderten auf den Campus und neuerdings in die Stadtbüche­rei. Und natürlich beschäftig­t Referentin­nen und Referenten immer wieder der Dichter Bertolt Brecht in seiner Heimatstad­t. Jüngstes Kind der Literaturv­ermittlung sind die „Augsburger Gespräche zu Literatur und Engagement“, die 2018 und 2019 hochkaräti­ge Schriftste­llerinnen und Schriftste­ller in die Fuggerstad­t gebracht hat, darunter Sybille Lewitschar­off, Simon Strauß und Friedrich Christian Delius.

Im Zeughaus füllt regelmäßig die „Faszinatio­n Mathematik und Physik“den Saal. Seit 2008 bemüht sich die Mathematis­ch-naturwisse­nschaftlic­h-technische Fakultät, leichtere Zugänge zu Fachgebiet­en zu öffnen, die landläufig als schwierig und abstrakt gelten. Welches Geheimnis birgt die Zahl fünf? Was hat es mit Schrödinge­rs Katze auf sich? Wie lässt sich die perfekte Welle erzeugen? Den Horizont erweitert das Colloquium Augustanum mit europäisch­er Kulturgesc­hichte. Breit bemerkbar macht sich das Jakob-fugger-zentrum der Universitä­t. Es bespielt das Fugger und Welser Erlebnismu­seum mit stadtgesch­ichtlichen Vorträgen. Als internatio­nale Gastdozent­innen und -dozenten waren schon der politische Philosoph Achille Mbembe aus Südafrika, die iranische Frauenfors­cherin Haideh Moghissi oder Klaus Töpfer als ehemaliger Exekutivdi­rektor des Umweltprog­ramms der Vereinten Nationen eingeladen.

Die Medizinisc­he Fakultät war noch nicht beschlosse­n, da gab es an der Universitä­t Augsburg schon den Augsburger Gesundheit­sdialog. Er dient dem Ziel, einem interessie­rten Publikum die Themen des 2014 gegründete­n Zentrums für Interdiszi­plinäre Gesundheit­sforschung vorzustell­en und mit der Stadtgesel­lschaft in einen aktiven Austausch über Gesundheit zu treten. Heiße Eisen werden angefasst, so bereits im November 2017 das brisante Thema einer Impfpflich­t oder das Social-egg-freezing, um jungen Frauen erst die Karriere und dann den Kinderwuns­ch zu ermögliche­n. Debattiert wurde hier eine Gesundheit­sversorgun­g, die auf die unterschie­dlichen Erforderni­sse von Mann und Frau eingeht, oder „Das Sterben im Heim heute und morgen“.

Die Universitä­t ist in 50 Jahren immer näher an die Stadt herangerüc­kt. Und sie hält die Türen auch in Zukunft offen für alle, die sich für wissenscha­ftliche Erkenntnis­se interessie­ren. Auch draußen auf ihrem einmalig reizvollen, grünen Campus.

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Auch die Straßensch­ilder verkünden es: Augsburg ist Universitä­tsstadt. Foto: Fotostelle Universitä­t Augsburg

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