Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
50 Jahre – ein Rückblick
Der Augsburger Historiker und Experte für Universitätsgeschichte, PD Dr. Stefan Paulus, im Gespräch
Seit 1970 ist Augsburg „Universitäts-stadt“– wie kam es dazu?
Stefan Paulus: Die Gründung vor 50 Jahren hatte eine längere Vorgeschichte. Erste, schon in den 1950er Jahren einsetzende, Bestrebungen in Augsburg eine Medizinische Hochschule einzurichten, waren gescheitert. Mitte der 1960er Jahre kam die Idee auf, eine Handelshochschule in der Fuggerstadt anzusiedeln. Der damalige Münchner Betriebswirtschaftsprofessor und spätere Gründungspräsident der Universität Augsburg, Prof. Dr. Louis Perridon, entwickelte hierfür das innovative Konzept einer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Hochschule in Anlehnung an amerikanische Business Schools. Im Herbst 1969 erhielten die Hochschulpläne eine neue Dynamik, als im Zusammenhang mit der geplanten Wiso-hochschule nun auch von „Erweiterungsmöglichkeiten“gesprochen wurde. Der anvisierten Augsburger Hochschulneugründung sollten, neben den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften, auch die seit 1958 in Augsburg ansässige Pädagogische Hochschule sowie die Philosophisch-theologische Hochschule in Dillingen als weitere Fachbereiche angegliedert werden. Vor diesem Hintergrund fiel dann um die Jahreswende 1969/70 die Entscheidung, in Augsburg gleich eine komplette Universität einzurichten.
Dass schließlich im Oktober 1970 die Eröffnung einer fünften bayerischen Landesuniversität in Augsburg gefeiert werden konnte, lag – neben den schon genannten Gründen – auch an einer Neuausrichtung der bayerischen Hochschulpolitik Ende der 1960er Jahre. Wie in anderen Bundesländern strebte der Freistaat gleiche Bildungschancen für die Bewohner aller Regierungsbezirke durch eine Regionalisierung des Hochschulwesens an. Hinzu traten, in Folge stetig steigender Studierendenzahlen, eine Entlastung der alten bayerischen Universitäten durch Neugründungen sowie entsprechende Überlegungen zu einer nachhaltigen Universitätsreform bzw. Modernisierung des Hochschulwesens.
Wie wurde die Universität in der Stadt angenommen?
Paulus: Im Großen und Ganzen positiv. Da gab es zahlreiche Augsburger Persönlichkeiten, die die Universitätsgründung aktiv förderten und die damit einhergehenden Zukunftschancen für die Stadt begrüßten, aber natürlich auch Bedenkenträger. Letztere betrachteten die Kosten und möglichen Folgelasten eher kritisch. Andere wiederum hatten ein mulmiges Gefühl, was sich so kurz nach „1968“mit dem Zuzug möglicherweise politisierter Studenten verändern könnte.
Ein wichtiges Merkmal ist ja auch der „Grüne Campus“– war das von Anfang an Teil des Konzepts?
Paulus: Die von Süden nach Norden verlaufende Grünund Erholungszone mit ihren beiden Seen und dem Bachlauf war ein zentrales Element der Campusplanung. Dieser Bereich ist nicht nur bei den Universitätsangehörigen äußerst beliebt, sondern wird auch von den Bewohnern des angrenzenden Univiertels zum Spazieren und Verweilen intensiv genutzt – auch wenn man heute in den Seen, anders als in den Anfangsjahren, leider nicht mehr baden darf.
Die Universität – ein architektonisch spannender „Stadtteil“?
Paulus: Das kann man so sagen. Im Vergleich zu anderen deutschen Neugründungen der 1960er und 1970er Jahre – denken Sie an Bochum, Bielefeld oder Regensburg – weist der Augsburger Campus aus diversen Gründen einen langen, bis heute anhaltenden Ausbauprozess auf. Zudem lag im Augsburger Fall kein strikter Masterplan für das Hochschulareal vor, der eine gleichförmige Bebauungsstruktur festgelegt hätte. Daraus resultiert eine architektonisch höchst abwechslungsreiche und aufgelockerte Bebauung, die einen spannenden Einblick in die facettenreiche Entwicklung der Hochschularchitektur der letzten 50 Jahre gewährt.
Wie sah der Universitätsalltag 1970 im Vergleich zu heute aus?
Paulus: In den Gründungsjahren herrschte Pionierstimmung. Für die Studierenden und Lehrenden der ersten Stunde war es eine echte Herausforderung, an einer gerade im Aufbau befindlichen Universität zu studieren, zu lehren oder zu forschen. Bis zum Bezug des ersten Gebäudekomplexes auf dem heutigen Campus 1977 und noch viele Jahre darüber hinaus, fand der universitäre Alltag in den diversen Fakultäten in angemieteten oder angekauften Provisorien statt. Gleichwohl war der Kontakt zwischen den ersten Studenten und Professoren, wie Zeitzeugen berichten, auch besonders eng. Heute ist Augsburg eine moderne, stetig wachsende Universität der ,kurzen Wege‘ mit bewährten Abläufen und Strukturen. Aus dem einstigen Provisorium ist nach 50 Jahren ein moderner universitärer Großbetrieb geworden.
Ab dem 16. Oktober 2020, dem Jahrestag der feierlichen Eröffnung, präsentiert sich die Universität Augsburg digital mit einem umfassenden Programm. Ins Sommersemester 2021 verschoben wurden der Festakt für geladene Gäste (7. Mai 2021), der „Tag der offenen Tür“(12. Juni 2021) und weitere Veranstaltungen. Im Rahmen des Jubiläums erscheint im Herbst auch die Jubiläumsfestschrift „Wissenschaft, Kreativität, Verantwortung. 50 Jahre Universität Augsburg“bei der Verlagsgruppe Schnell & Steiner.
Weitere Infos zum Jubiläum der Universität
www.uni-augsburg.de/jubilaeum