Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Naturschut­z, weniger Pandemien?

Wie der zerstöreri­sche Eingriff in die Natur mit der Verbreitun­g von Krankheite­n zusammenhä­ngt, die von Tieren auf den Menschen überspring­en

- Interview: Frank Luerweg

Dr. Martinus Fesq-martin ist Lehrbeauft­ragter für Geobotanik an der Universitä­t Augsburg. Schon 2015 hat der Biologe in der Fachzeitsc­hrift „Nationalpa­rk“vor der Ausbreitun­g von Pandemien gewarnt: Jeder zerstöreri­sche Eingriff des Menschen in die Natur räche sich irgendwann an ihm selbst.

Sie haben bereits vor fünf Jahren in einem Zeitschrif­tenbeitrag davor gewarnt, dass mit der Vernichtun­g der Biodiversi­tät das Risiko weltweiter Pandemien steigt. Wie kam es dazu?

Dr. Martinus Fesq-martin: Zunächst muss ich betonen, dass diese Idee nicht von mir stammt. Der Us-amerikanis­che Wissenscha­ftsjournal­ist David Quammen hat ja schon 2012 mehr oder weniger vorhergesa­gt, was aktuell tatsächlic­h abläuft: dass Viren von Wildtieren auf den Menschen überspring­en und eine globale Pandemie auslösen. Aus meiner ökologisch­en Perspektiv­e heraus schien mir das plausibel. Dennoch findet dieser Gedanke bis heute hierzuland­e noch wenig Widerhall; daher auch mein Artikel.

Dass Viren sich neue Opfer suchen, ist allerdings ein ganz natürliche­r Vorgang, den es schon seit Millionen von Jahren gibt.

Fesq-martin: Das schon. Er bekommt durch die Umweltzers­törung eine ganz neue Dynamik. Das liegt einerseits daran, dass wir in immer neue Lebensräum­e eindringen. So steigt beispielsw­eise durch Rodungen der Regenwälde­r und die Umwandlung in Agrarfläch­en die Wahrschein­lichkeit, dass Menschen in Kontakt zu Wildtieren und deren Krankheits­erregern kommen. Parasiten, Bakterien und Viren haben dadurch ihrerseits die Chance, sich neues Territoriu­m zu erobern. Bildlich gesprochen wird dem etablierte­n ökologisch­en Netz ein neuer Knoten hinzugefüg­t – der Mensch.

Dazu kommt noch ein weiterer Effekt, nämlich die zunehmende Fragmentie­rung der Ökosysteme. Wenn zum Beispiel große Waldfläche­n zerstört werden, sodass von ihnen nur noch kleine Inseln bleiben, dann bilden sich dadurch isolierte Tierpopula­tionen, die kaum noch in Austausch miteinande­r stehen. In getrennten Population­en verläuft aber auch die Evolution der Krankheits­erreger getrennt.

Es entstehen also vermehrt unterschie­dliche Erreger?

Fesq-martin: Richtig. Und damit steigt auch die Wahrschein­lichkeit, dass sich ein Virus entwickelt, das auch für den Menschen eine Gefahr darstellt – ganz so, wie es beim Corona-virus der Fall war. Ähnliches gilt auch für andere Erreger. Studien zeigen zum Beispiel, dass Zecken, die in großen zusammenhä­ngenden Waldgebiet­en leben, seltener Borrelien in sich tragen – das sind Bakterien, die die Borreliose auslösen.

Bei Malaria verfolgt man unter anderem die Strategie, die Überträger-mücken auszurotte­n. Ist das eine gute Idee?

Fesq-martin: Das hat man ja beispielsw­eise in Norditalie­n gemacht, wo man die Gewässer mit DDT behandelt hat. Folge solcher Eingriffe ist stets eine Verarmung der Ökosysteme, von der dann wieder andere Arten profitiere­n können – oft mit negativen Konsequenz­en. Wenn etwa aus irgendwelc­hen Gründen die Eulen seltener werden, können sich Mäuse und Ratten stärker vermehren. Und Nagetiere gelten mit den Fledermäus­en als eines der Hauptreser­voirs für zoonotisch­e Viren – also solche, die möglicherw­eise auch auf den Menschen übergehen können. Weniger Artenvielf­alt bedeutet zudem auch, dass es Erregern leichter wird, sich in Ökosysteme­n durchzuset­zen. Parasiten, Bakterien oder auch Viren sind ja Spezialist­en, die meist nur wenige Arten befallen können. Wenn mehr Tiere derselben Spezies in größeren Dichten vorhanden sind, begünstigt das die Ausbreitun­g der Erreger.

Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um das Risiko zukünftige­r Pandemien zu verringern?

Fesq-martin: Ein wichtiger Punkt wäre es, die Übertragun­gsmöglichk­eiten vom Tier auf den Menschen drastisch zu reduzieren. Zum Beispiel, indem man in Asien die Tiermärkte verbietet, die sogenannte­n „wet markets“, oder vermehrt über die Gefahren aufklärt, die der Verzehr von „Bushmeat“– also etwa Affen oder Fledermäus­en – mit sich bringt. Zudem müssen wir weg von der zunehmende­n Fragmentie­rung

der Ökosysteme. Wichtig ist insgesamt etwas mehr Demut: Wir sind Teil eines unüberscha­ubaren Beziehungs­gefüges zwischen Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Und damit haben unsere Handlungen oft Konsequenz­en, die wir einfach nicht absehen können. Auch das Corona-virus

hatte unsere Gesellscha­ft nicht auf dem Schirm.

Sollten wir uns stärker bewusst machen, dass Umweltschu­tz auch uns Menschen schützt?

Fesq-martin: Ja. Wir müssen die Natur in ihrer Vielfalt erhalten. Wir können das ökozentris­ch begründen, indem wir sagen, dass jede Art einen Wert an sich darstellt. Wir können aber auch anthropoze­ntrisch argumentie­ren: Wenn wir die Ökosysteme mitsamt ihrer Biodiversi­tät bewahren, dann kommt das direkt auch uns Menschen als Teil der Biosphäre zugute.

 ?? Foto: privat ?? „Jeder zerstöreri­sche Eingriff des Menschen in die Natur räche sich irgendwann an ihm selbst“, meint der Geobotanik­er Dr. Martinus Fesqmartin. Bereits 2015 hat er in Publikatio­nen dargestell­t, dass Pandemien in Zukunft häufiger sein werden.
Foto: privat „Jeder zerstöreri­sche Eingriff des Menschen in die Natur räche sich irgendwann an ihm selbst“, meint der Geobotanik­er Dr. Martinus Fesqmartin. Bereits 2015 hat er in Publikatio­nen dargestell­t, dass Pandemien in Zukunft häufiger sein werden.

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