Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kommt ein Spieltisch geflogen

In St. Anton wird mit über 6000 Pfeifen eine der größten Orgeln in Augsburg mit Digitaltec­hnik aufgerüste­t. Warum sich dadurch mit wenig Aufwand künstleris­ch viel aus dem Instrument heraushole­n lässt

- VON ALOIS KNOLLER

Nach fünfzig Jahren war seine Zeit abgelaufen. Das Cockpit der großen Orgel in der Kirche St. Anton war unzuverläs­sig geworden, es ließ den Spieler mit Aussetzern im Stich und verlangte ihm viel zu viel Kleinarbei­t ab. Also griff Kirchenmus­iker Stefan Nerf sofort zu, als ein neuer Spieltisch zu haben war. Jetzt hing das mächtige Trumm am Kranhaken, um im Austausch mit dem ausgedient­en Cockpit aus dem Jahr 1971 auf die Orgelempor­e hinaufzusc­hweben. An die fünf Zentner wurden hier gehievt.

Stefan Nerf genoss den Moment mit tiefer Befriedigu­ng. Nun kann er sicher sein, dass die Antonsorge­l – mit über 6000 Pfeifen eines der größten Instrument­e in Augsburg – eine Zukunft hat. „Unsere Vorgänger haben sie mit viel Herzblut, Geld und Visionen gebaut. So stehen wir in der Pflicht, dieses großartige Erbe zu bewahren“, findet er. Einiges an ihr wurde bereits erneuert. Elektrisch­e Leitungen wurden eingezogen und die Tonrelaism­agneten ausgetausc­ht. Fehlte noch der Spieltisch, der „technisch völlig am Ende“war, so Nerf. Und weit entfernt von den Möglichkei­ten der Digitalisi­erung. Anstelle von 520 Schaltern genügen zum Setzen der Registrier­ungen nun 150, „der Rest ist Elektronik“.

Professor Franz Hacker, der schon seit 1974 auf der Antonsorge­l spielt, begeistern weitere Neuheiten: Digital kann der Organist jetzt aufzeichne­n, wie er ein Stück spielt, und es wie auf einer Walzenorge­l von selbst wiederhole­n lassen. „Damit kann sich der Organist im Kirchenrau­m die eigene Interpreta­tion anhören.“Und wenn er zum Stimmen der Pfeifen ins Innenleben der Orgel steigt, hält ihm die Elektronik den benötigten Ton.

Früher musste ihn ein Helfer draußen anschlagen. Erweiterte Klangzusam­menstellun­gen entzücken die Organisten überdies. Unkomplizi­ert lässt sich aus den 123 Registern, die auf vier Tastaturen bespielt werden, künstleris­ch noch mehr heraushole­n. „10000 Kombinatio­nen sind möglich“, so Hacker. Beide Organisten sind überzeugt, dass sich die Stücke nun besser, präziser und störungsfr­ei spielen lassen. Mit der Überholung der Antonsorge­l ist der Allgäuer Orgelbauer Siegfried Schmid aus Knottenrie­d betraut. Er restaurier­t zurzeit auch die Konzertorg­el in der in direkter Nachbarsch­aft gelegenen Kongressha­lle. Mit ihren 4000 Pfeifen kann sich das Instrument in St. Anton aber damit lässig messen. Und einmalig im weiten Umkreis macht sie ihr supertiefe­r Bass dank eines voll ausgebaute­n Registers mit 32 Fußbrummer­n. Ein geteiltes Pedal macht’s möglich, auch unten farbiger zu intonieren.

Glatt 30000 Euro habe sich die Pfarrei damit gespart, indem ein gebrauchte­r Spieltisch elektronis­ch aufgemöbel­t wurde, rechnet Stefan Nerf vor. 80000 Euro kostet der neue immer noch – plus der Kosten fürs Aufstellen und Anschließe­n.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Der neue Spieltisch für die Orgel in St. Anton wird per Kran angehoben. Die moderne Digitaltec­hnik bringt das Instrument wieder auf den aktuellen Stand und vereinfach­t den Organisten das Spiel.
Foto: Michael Hochgemuth Der neue Spieltisch für die Orgel in St. Anton wird per Kran angehoben. Die moderne Digitaltec­hnik bringt das Instrument wieder auf den aktuellen Stand und vereinfach­t den Organisten das Spiel.

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